Mit der Lederhosn durch die Welt

Ein Bayer in New York: Das Literaturhaus zeigt eine Ausstellung über den Schriftsteller Oskar Maria Graf
von  Robert Braunmüller
Oskar Maria Graf an seinem New Yorker Stammtisch, um 1945.
Oskar Maria Graf an seinem New Yorker Stammtisch, um 1945. © Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv

Ein Bayer in New York: Das Literaturhaus zeigt eine Ausstellung über den Schriftsteller Oskar Maria Graf

Was ist von ihm geblieben? Bilder eines Mannsbilds in Lederhosn. Auf dem berühmtesten Foto prostet er mit krachend guter Laune dem Objektiv zu, neben ihm das blasse Zwetschgenmandl Bertolt Brecht. Ein anderes Foto zeigt ihn in der Krachledernen am Münchner Flughafen und in seiner Heimat in Berg am Starnberger See.

Oskar Maria Graf ist neben Thomas Mann der zweite Hausheilige des Literaturhauses am Salvatorplatz – als in der „Heimat verwurzelter Weltbürger und Erzähler“, wie die Leiterin Tanja Graf bei der Pressevorstellung sagte. Die von Jenny Holzer vor 20 Jahren ausgesuchten Zitate auf den Tellern der Gastronomie und dem Schriftlaufband erinnern täglich an ihn. Aber zum 50. Todestag ist wieder einmal eine Ausstellung fällig.

Flucht und Exil

Oskar Maria Grafs frühe Jahre als Anarchist, Revolutionär, Befehlsverweigerer, Schwabinger Lebenskünstler und Besucher des Monte Veritá bei Ascona blendet die neue Ausstellung leider aus. Schade. Sie wären möglicherweise aufregender als das allgegenwärtige und mittlerweile abgedroschene Thema Flucht und Exil.

Die von Laura Mokrohs und Karolina Kühn kuratierte Schau setzt 1933 ein. Da gilt Graf als Autor von Provinzschnurren. Als er seine Bücher nicht auf den Schwarzen Listen der Nazis findet, veröffentlicht er von Wien aus den wütenden Protest „Verbrennt mich!“. Später lebt er in Brünn und Prag, bereist in Lederhosn (und proletarischem Ledermantel) die Sowjetunion und emigriert schließlich 1938 in die USA.

In New York arbeitet Graf an seinem autobiografischen Roman „Das Leben meiner Mutter“, der 1940 in englischer Übersetzung erscheint. Das Buch beschreibt das ländliche Leben am Starnberger See und entwirft ein Gegenbild zum nationalistischen Männlichkeitskult seiner Zeit. Die Figur der bayrischen Mutter steht für das „Leben aller Mütter in allen Ländern“.

Sehnsucht nach dem Bierkrug

Graf verweigert sich in New York beharrlich der englischen Sprache. Trotzdem fasziniert ihn die Internationalität der Stadt, der er eine Ode widmet. Er gilt als Kommunist, wird vom FBI überwacht und muss bis 1957 auf die amerikanische Staatsbürgerschaft warten. Der Abschnitt mit der Eidesformel zur Verteidigungsbereitschaft mit der Waffe wird dem überzeugten Pazifisten erlassen.

Von der Schriftstellerei kann er trotz Vortragsreisen nicht leben: Den Lebensunterhalt bestreitet seine Frau Mirjam als Redaktionssekretärin und Journalistin des Emigranten-Blattes „Der Aufbau“. Grafs Sehnsucht nach Bayern bleibt stark: 1947 lässt er sich von einem Münchner Freund einen Bierkrug schicken, auf dessen Grund nach der Leerung im Schaum König Ludwig II. sichtbar wird.

Neue Heimat USA

Das gute Stück geht bald kaputt, wie einem ausgestellten Brief zu entnehmen ist. Graf schickt Lebensmittelpakete nach München. 1958 kommt er selbst herüber und sieht mit Abscheu, wie sehr sich die Nazi-Eliten gehalten haben. Man rümpft die Nase über eine in der Lederhosn gehaltene Lesung im wiederaufgebauten Cuvilliéstheater. Zur Rückkehr mag er sich nicht entschließen: Graf stirbt 1967 in New York, seine Urne wird ein Jahr später auf dem Bogenhausener Friedhof beigesetzt.

Die Ausstellung zeigt Briefe, Dokumente, Maßkrüge und eine Lederhosn. In der Mitte des Raums steht ein Baum mit Bankerl zum Hinsetzen. Hier kann man sich vom Schriftsteller Friedrich Ani via Audioguide Grafs Texte vorlesen lassen.

In seinem letzten Roman „Die Flucht ins Mittelmäßige“ entwirft er ein neues Konzept von Heimat: unabhängig von der Nation, gebunden an die Landschaft, die Erinnerung, die Sprache und Freunde. Das ist eine aktuelle Idee, die in einer Ausstellung nur schwer sichtbar zu machen ist. Dafür muss man Grafs Bücher lesen. Was sich lohnen könnte.

Literaturhaus, Salvatorplatz 1, bis 5. November, Mo., Di., Mi., Fr., 11 bis 19 Uhr, Do. bis 21.30 Uhr, Katalog 10 Euro

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