Menschliche Ewigkeit
Denkmäler und monumentale Gebäude sind für die Ewigkeit, auch wenn diese meist nur ein paar Jahrhunderte währt. Aber sie konfrontieren spätere Generationen mit der Vergangenheit, evozieren Erinnerung, fordern Integration in unsere Gegenwart. Damit beschäftigt sich die amerikanische Choreografin Meg Stuart in ihrer ersten Produktion für die Kammerspiele: „Built to Last”.
Dem Kammerspiele-Intendanten Johan Simons ist es wichtig, auch Tanz und Musik ins Repertoire seines Hauses zu integrieren. Deshalb holte er Meg Stuart als Künstlerin in Residenz an die Kammerspiele. Hier zeigte sie in der letzten Spielzeit bereits zwei Gastspiele. Meg Stuart ist in New Orleans geboren, in Los Angeles aufgewachsen und hat in New York studiert.
„Built to Last” – das gilt auch für Kunstwerke wie Beethovens Sinfonien. Meg Stuart wollte erstmals mit sinfonischer Musik arbeiten; der Musiker Alain Franco stellt Beethoven und Bruckner zeitgenössischer Musik von Xenakis und Stockhausen gegenüber. „Beethovens Werk wird uns überleben. Wie begegnet man diesem Klassiker?”, fragt die Choreografin. Sie schickt fünf Menschen auf einen Gang durch die Geschichte und die Archive des Tanzes.
„Das Ganze ist wie eine Zeitmaschine, die mit den Perspektiven spielt”, erklärt Stuart. „Wie drücken wir uns über Bewegungen aus, wenn die Sprache nicht reicht? Mir ist dabei auch die Mimik, der Gesichtsausdruck wichtig.”
Neben dem Umgang mit der Geschichte, mit den Konzepten des Archivierens und Hortens interessiert sie auch die Rückeroberung des öffentlichen Raumes. „Viele Denkmäler in München haben eine kollektive Kraft im öffentlichen Raum. Man kennt sie als Symbole, auch wenn man ihre Namen oder ihre Bedeutung nicht kennt”, meint Stuart. Vielleicht werden einige per Video zu sehen sein.
Der Zwiespalt von Vergangenheit und Gegenwart weckt auch Gedanken an die Zukunft. „Die Leute wollen einerseits Sicherheit und beständige Werte, suchen aber Neues. Die Welt entwickelt sich weiter. Für mich verändern sich die Dinge ständig, alles ist im Fluss”, sagt Stuart.
Unter den vier Tänzern von Damaged Goods ist auch Stuarts Bruder Davis Freeman, mit dem sie früher oft zusammengearbeitet hat. Aus dem Kammerspiele-Ensemble ist Kristof Van Boven dabei, den sie schon von früheren Arbeiten kennt. Die Mischung aus Tänzern und Schauspielern ist für die Choreografin problemlos: „Ich diktiere nicht, sondern arbeite über Improvisation und mache Vorschläge. Die Performer machen auch Vorschläge und bringen sich ein.” Sie stellt keine psychologischen Beziehungen zwischen den Figuren her, sondern sieht sie als Gemeinschaft. Und fragt: „Wie können ikonische, monumentale Bilder etwas ganz Menschliches und Verletzbares bekommen?”
Spielhalle der Kammerspiele, 28. und 29. April 2012, 20 Uhr, Tel. 233 966 00