Meine Rollen sind geschärft mit Dialekt
Sie ist aufgeregt. Nicht wegen der heutigen Vorstellung von „Hotel Savoy”, sondern wegen des anschließenden Festakts, bei dem sie eine Dankesrede halten muss: Die Schauspielerin Brigitte Hobmeier wird heute mit dem alle drei Jahre vergebenen und mit 10 000 Euro dotierten Münchner Theaterpreis ausgezeichnet.
„Ich war wahnsinnig überrascht”, bekennt die 35-Jährige. „Einfach platt. Und hab' gedacht: Oh Gott, bin ich schon so alt?” Aber der Theaterpreis ehrt nicht ein Lebenswerk, sondern besondere Leistungen, die Münchens Theaterglanz mehren. Solche Leistungen hat die in Ismaning aufgewachsene Brigitte Hobmeier seit 2002 reichlich gezeigt. Schon ihr erster Auftritt am Volkstheater als Geierwally machte ihr Ausnahmetalent klar. Kühl und verletzlich, ätherisch und handfest zugleich spielte sie das stolze Bauernmädel und wurde auf Anhieb zum Publikumsliebling. Bei Christian Stückl war sie Wedekinds Lulu und eine bezaubernd komische Viola in Shakespeares „Was ihr wollt”. Wenn ihr jemand sagt: Ach Gott, damals die Geierwally!, freut sie sich: „Es ist doch toll, dass die Aufführungen in Erinnerung bleiben.”
2005 holte sie Frank Baumbauer an die Kammerspiele. Ihre erste große Rolle dort als Elisabeth in Horváths „Glaube, Liebe Hoffnung” bescherte ihr gleich den Theaterpreis Der Faust. Sie brillierte in Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun” und Achternbuschs „Susn”. Auch in kleineren Rollen wie der Sisi in „Ludwig II.” zeigt sie die Widersprüche und Extreme ihrer Figur. „Jeder Mensch hat ja versteckte Seiten, vielleicht auch vor sich selbst versteckte”, erklärt sie. „Mich interessiert die ganze Bandbreite: Wie bin ich in guten Zeiten, wie in schlechten, wie bin ich, wenn ich machtlos oder machtvoll bin? Nur so kann ich eine Figur zum Leben erwecken. Und ich will die Zuschauer aufspringen lassen auf den Menschen. Das ist mir ganz wichtig.”
Nicht so einfach war das in „Hotel Savoy”, wo sie viele kleine Rollen spielt, zum Teil in fliegendem Kostümwechsel auf offener Bühne. Anfangs sei sie schier verzweifelt, erzählt Hobmeier: „Man braucht mehr als fünf Sätze, um eine Figur zu spielen. Aber ich wollte die Rollen in ihrer Kleinheit ernst nehmen. Mir fiel der Rat einer Kollegin ein: Such’ Dir eine Sache aus, und mit der spiel’ die Rolle. Ich habe überlegt, wie kann ich mein Gesicht verändern? Was ist, wenn ich meine roten Haare wegnehme unter einer Kurzhaarperücke? Unsere Kostümbildnerin hat mir sehr geholfen. Und Johan Simons hat diesen nicht textbegründeten Weg zugelassen.” Ein Vortrag über „Sprache als Maske” brachte sie dazu, nach Dialekten zu suchen: „Damit kann ich die Charaktere schärfen.”
Im Film muss sie anders arbeiten: „Auf der Bühne kann ich mit Kunstmitteln stilisieren. Im Film muss ich ganz realistische Menschen spielen, ohne Überhöhung.” Sie überzeugte so in „Räuber Kneissl” und zuletzt im ZDF-Film „Die Hebamme”. Obwohl durch ihre Großeltern in Niederbayern verwurzelt, möchte sie nicht in die Schublade „Bayerisch” gesteckt werden. Mit Vergnügen spricht sie dagegen Bairisch als Polizistin Pollinger im BR-Radio-„Tatort”: „Unser Regisseur ist Westfale. Er sagt: Sprecht so Dialekt, dass ich euch nicht mehr versteh’, dann ist es richtig.”
Viel gelernt hat sie von Peter Stein, bei dessen Mammut-„Faust” sie nach der Folkwang-Schule zwei Jahre dabei war. Und aus den Arbeiten mit Christian Stückl, Thomas Ostermeier und Stephan Kimmig. Sie hofft, weiterhin „so tolle Regisseure zu finden, die mich fördern, mich wohin schmeißen, wo ich noch nicht war, und bei denen ich mich aufgehoben fühle”.
Brigitte Hobmeier hat „Sehnsucht nach Zukunft". Vielleicht bringt die ihr dann auch klassische Rollen. Denn an Klassikern hat sie erst eine Shakespeare-Komödie gespielt.
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