Mehr Musik lehren!
Denn Musik ist Teil der kulturellen Bildung – wird das an den Schulen berücksichtigt?
Musik gehört zum Leben“, sagt Silvia Primas. „Sie ist in uns Menschen angelegt, sie berührt etwas, was man nicht in Worte fassen kann.“ Primas ist Mutter von drei Kindern, Benjamin (18 Jahre), Eva (16) und Olivia (11). Alle haben von klein auf Klavier und später ein zweites Instrument spielen gelernt, Querflöte, Cello und Geige. „Musizieren gehört für mich einfach zu einer Ausbildung“, erklärt Primas. Ihre Kinder schickte sie in eine Musikschule.
Musik kommt zu kurz an bayerischen Schulen – mit dieser Meinung ist Silvia Primas nicht allein. Gerade bemängelte Kunstminister Heubisch ihren mangelnden Stellenwert, der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband beklagt schon seit letztem Sommer das „Schattendasein“ der künstlerisch-ästhetischen Fächer. Auch Musiker machen sich stark für mehr Musikunterricht: Anne-Sophie Mutter engagiert sich für eine musikalische Früherziehung.
Im Kultusministerium sieht man das freilich differenzierter: „Natürlich wäre mehr Musik wünschenswert“, sagt der Referatsleiter für kulturelle Bildung im Kultusministerium, Michael Weidenhiller. „Aber das ginge auf Kosten anderer Fächer. Oder die Kinder müssten noch länger in der Schule bleiben.“
Fehlt das Geld?
Claudia Gebhardt unterrichtet seit 15 Jahren Musik an einer Münchner Hauptschule. Dabei hat die Lehrerin einen beunruhigenden Trend festgestellt. „Früher hatte ich immer Kinder in der Klasse, die zumindest Flötenunterricht hatten“, sagt sie. „Heute ist das die absolute Ausnahme.“ Für die Lehrerin, die als Kind ein musisches Gymnasium besuchte, ist das unverständlich. „In unserer Gesellschaft wird immer weniger Wert darauf gelegt, gemeinsam in der Familie zu musizieren“, meint sie, „Vielleicht fehlt auch das Geld.“
Musik spielt im Leben ihrer Schüler schon eine große Rolle – als Berieselung aus Radio und Musiksendern. „Richtig zuhören können die Kinder kaum mehr“, sagt Gebhardt. Deswegen lässt sie die Kinder reflektieren, was Musik in ihnen auslöst. Mit Trommeln bringt sie ihren Schülern Rhythmusgefühl bei, sie lernen, aufeinander zu hören und zu reagieren. „Ich kann ja schlecht allen Klavier spielen lehren“, so Gebhardt. Ihre Schüler sieht sie zwei Stunden in der Woche – wenn sie nicht Kunst gewählt haben.
An der Hauptschule muss man das Fach ab der siebten Klasse nicht mehr belegen, Realschüler und Gymnasiasten haben mindestens bis zur zehnten eine Stunde pro Woche verpflichtend musischen Unterricht. Im Europavergleich liegt Deutschland im guten Mittelfeld. In Polen und Italien etwa wird Musik als Unterrichtsfach in den weiterführenden Schulen eher ignoriert. Bayern punktet zwar mit 30 musischen Gymnasien, hat das Fach aber nicht durchgehend als Pflichtfach. Obwohl zahlreiche neurowissenschaftliche und psychologische Studien positive Auswirkungen der Musik auf Kinder nachweisen: Von besseren Noten bis zu einem positiveren Sozialverhalten reichen die Ergebnisse.
Silvia Primas beobachtet diese Effekte an ihren Kindern. „Das Spielen hat ihr Selbstbewusstsein gestärkt – sie wissen, sie können was“, sagt die Münchnerin. „Und sie haben gelernt, konzentriert an einer Sache dranzubleiben.“ Das Schulorchester vermittele ihnen soziale Schlüsselqualifikationen wie Zuverlässigkeit, die auch später im Berufsleben weiterhelfen.
Kunst ist keine Nebensache
„Ich glaube, wir haben nicht nur hier in Bayern, sondern in ganz Deutschland die kulturelle Bildung stark vernachlässigt“, sagt auch der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers. „Ich halte es für falsch, Kunst und Musik als Nebensache zu behandeln, sie gehören zur kulturellen Bildung unabdingbar dazu.“
Er sieht allerdings nicht nur die Schulen, sondern auch Kulturinstitute in der Verantwortung. Die Kinderkonzerte der Münchner Philharmoniker etwa seien ein gutes Beispiel dafür, wie man die Jugend außerhalb der Schule an Musik heranführen kann. Und Michael Weidenhiller erwähnt zahlreiche Projekte wie Bläserklassen und Schulorchester an bayerischen Schulen: „Sie sind bei den Kindern nach wie vor beliebt.“ Die Musikschulen arbeiten daran, das Grundschul-Projekt „Jedem Kind ein Instrument“, das in Nordrhein-Westfalen Erfolge feierte, auf München zu übertragen. Der Ruf nach mehr Musik ist laut – ob sich dafür aber Platz in den ohnehin schon dicht bestückten bayerischen Stundenplänen findet, ist fraglich.
Laura Kaufmann
- Themen:
- Münchner Philharmoniker