Mehr Fantasie wagen!
Das Münchner Rundfunkorchester mit Verdis „Macbeth“ konzertant im Prinzregententheater
Zweieinhalb Opernhäuser besorgen in dieser schönen Stadt die musiktheatrale Grundversorgung, wenn man die Theaterakademie mitzählt. Wozu sind dann konzertante Opern gut? Allenfalls, um wertvolle, aber aus dem Repertoire gefallene Werke neu auszuprobieren.
Verdis „Macbeth“ gehört gewiss nicht dazu. Die Bayerische Staatsoper brachte das Werk in den letzten 25 Jahren dreimal neu heraus. In etwas mehr als zwei Wochen steht Martin Kušejs umstrittene Inszenierung dort wieder im Spielplan. Von dieser Oper gäbe es eine Urfassung, die sowohl das Schallarchiv des Bayerischen Rundfunks wie auch das neue Eigenlabel zieren könnte. Aber auch dazu fehlte den Verantwortlichen leider der Mut. Immerhin gab es die landläufige Zweitfassung mit ungekürztem Ballett.
Der Dirigent hat einen Fan
Nur warum? Der Herr Haider hat zwar einen weiblichen Fan, der mit dem Porträt des Dirigenten auf dem Hemd und dem Sticker „Friedrich der Große“ im Foyer herumrennt. Aber er bleibt dennoch ein Kapellmeister im mittleren Sinn des Worts. Am Beginn jeder Nummer wackelte es ein bisschen, dann raufte man sich zusammen. Ein Konzept für das große Duett, bei dem sich Verdi gedämpft Zurückhaltung wünschte, hatte er nicht. Wie im Repertoirealltag üblich, wurden die großen Noten laut geschmettert, während die kleinen unterbelichtet blieben. So gut, dass man dergleichen aufs Konzertpodium wuchten müsste, war es nicht.
Ähnlich verhielt es sich mit den wackeren Sängern. Sebastian Catana dröhnte mächtig, sang die Titelrolle aber farbenarm. Raffaella Angeletti bewältigte die Lady, ohne sie zu interpretieren. Maurizio Muraro war ein profunder Banco, der Spanier Luis Dámaso für den Macduff dagegen zu lyrisch.
Immerhin entschädigte der prächtige BR-Chor für den von Kušej aus szenischen Gründen in den Graben verbannten Massengesang. Ehe das Rundfunkorchester aus lauter Quotendruck noch zu „Aida“ greift, ein paar Vorschläge für in München verkannte Verdis: Wie wär’s mit „Alzira“, „Attila“, „Il corsaro“, „Stiffelio“, „La battaglia di Legnago“ oder gar der „Sizilianischen Vesper“?
Robert Braunmüller