Mega-Sound und Ultra-Hitze

„Rock im Park“ und "Rock am Ring" - die besten Bilder von den Musik-Festivals.
von  Abendzeitung

Die Zeiten, als der gemeine Festivalbesucher noch Metallica-Shirts und langes schwarzes Haar trug, sind lange vorbei. Rockfestivals wie „Rock im Park“ in Nürnberg werden mehr und mehr zu bunten Events. Das gefällt nicht jedem.

Nürnberg – Sanfte Klänge aus der Akustikgitarre und bunte Ballons unterm Sternenhimmel: So etwas auf einem Rockfestival wäre vor einigen Jahren zumindest noch ungewöhnlich gewesen. Wo früher Metal-Klassiker wie Metallica oder im vergangenen Jahr noch Rage Against the Machine auf der Bühne standen und die Massen zum kochen brachten, ging es in diesem Jahr deutlich beschaulicher zu.

„Rock im Park“ 2011 war – zumindest zu Beginn – bunter und auch ein bisschen kuscheliger als in den Vorjahren. Und das lag nicht nur daran, dass bis Freitagabend nur rund 55 000 Karten verkauft waren. Es lag auch an der Zusammenstellung der Bands - im Festival-Sprech „Line-up“ genannt. Die britischen Bands The Kooks und Hurts oder die Söhne Mannheims um den stets schwermütigen Sänger Xavier Naidoo gehörten zu den Hauptacts des ersten Tages – und die sind nun einmal nicht gerade für aggressive Töne bekannt.

Ihre Auftritte verleiteten die Musikfreunde darum auch eher zum Kuscheln und Entspannen als zum Rocken. Chillen statt Rocken könnte insgesamt das Motto des Festivals auf dem Nürnberger Zeppelinfeld – dem ehemaligen Gelände von Hitlers Reichsparteitag – lauten.

Bei strahlendem Sonnenschein ließen es viele Besucher erst einmal langsam angehen und machten es sich vor ihren Zelten oder sitzend vor den Bühnen gemütlich. Die Zeiten als der gemeine Festival-Besucher noch düstere Metallica-Shirts und langes schwarzes Haar trug, sind lange vorbei.

Einen Einheitslook gibt es nicht mehr. Die Klamotten sind bunter, die Kopfbedeckungen vielfältiger. „Es wird alles immer ausgefallener“, sagt ein langjähriger Festivalbesucher. Vom Wikingerhelm über bunte Perücken bis hin zum – bei 28 Grad und praller Sonne durchaus gewagten – Ganzkörper-Gorilla-Kostüm war in Nürnberg in diesem Jahr alles dabei.

Frauen und Männer zeigten sich gleichermaßen freizügig, viele liefen im Bikini oder mit nacktem Oberkörper herum – was nicht jedem gut bekam. 1700-mal mussten die Hilfsdienste um das Bayerische Rote Kreuz allein bis Samstagmittag ausrücken, um Hitzschläge und Sonnenbrände zu behandeln, oder auch die nahezu obligatorische Schürfwunde – hervorgerufen durch eine ungünstige Kombination aus Alkohol, Eile und Asphalt.

Die Stilvielfalt der Rockfreunde zeigt, dass sich die Festivalszene in den vergangenen Jahren stark verändert, individualisiert, verjüngt, kommerzialisiert und auch liberalisiert hat. Nur so ist zu erklären, dass eine Band wie die Söhne Mannheims auf einem Rockfestival nicht gnadenlos ausgebuht wird und es inzwischen auf dem Festivalgelände tatsächlich Prosecco und Sprizz - das Trendgetränk der Schickeria – zu kaufen gibt.

Wie beim Fußball-Public-Viewing kommen nicht mehr nur die überzeugten Fans, sondern vor allem die, die etwas erleben wollen. „Eventisierung“ nennt das der Dortmunder Soziologe Roland Hitzler. Gefallen an dieser Entwicklung findet freilich nicht jeder. Zahlreiche Festivalbesucher verließen vor dem Auftritt der Söhne Mannheims fast fluchtartig das Gelände.

„Das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Rockfan“, sagte die Berlinerin Hannah, die gemeinsam mit ihren Freunden in Richtung Alterna-Stage floh – der zweitgrößten Bühne. Bald musste das Gelände vor dieser Bühne vergrößert und Absperrungen eingerissen werden.

Dort trat unter anderem die US-Metal-Band Korn auf, dort präsentierten die Rocker von Disturbed eine ebenso beeindruckende wie beängstigende Feuershow und beschimpften ihre Fans. Dort gab es keinen Prosecco. Dort war die Rockerwelt noch in Ordnung.

 

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