Measha Brueggergosmann: Mehr was für's Tempo
Der Liederabend von Measha Brueggergosmann im Prinzregententheater
Sänger lieben es, mit ihren aktuellen Alben auf Tournee zu gehen. Die Synergie belebt das Geschäft mit Platten wie Konzertkarten, und das geneigte Publikum kann den flüchtigen Augenblick auf einer Silberscheibe gebrannt samt Autogramm nach Hause tragen.
Aber diese dem Pop abgelauschte Vermarktung birgt Risiken. Von der Perfektion ihres gelungenen Konzeptalbums „Night and Dreams“ war Measha Brueggergosmann in der ersten Hälfte weit entfernt. Sie wirkte maskenhaft, gehemmt und im Text unsicher. Auch das mit Störungen der Atemwege ringende Publikum im nicht überfüllten Prinzregententheater schien ein wenig indisponiert. Die dunkle Stimme der Kanadierin lässt sich zwischen Sopran und Mezzo schwer einordnen. Für Mozart ist sie jedenfalls zu üppig. Das hübsche „Dans un bois solitaire“ verwandelte sich in die dramatische Szene einer Opera seria: Gewiss ein hoffnungsvolles Versprechen für Brueggergosmanns künftige Bühnenrollen, doch keine angemessene Deutung dieser koketten Szene.
Auch bei Schubert sprang kein Funke über. Nach der Pause dann, bei drei temperamentvollen Liedern des Spaniers Joaquín Turina war sie in ihrem Element. Noch besser passte der irisierende Reichtum der Stimme zu Henri Duparcs Kleinteiligkeit und dem Impressionismus des frühen Alban Berg. Für Richard Strauss eignet sich ihr dunkles, an sich sehr schönes Timbre allerdings weniger. Im Widerspruch zum gängigen Reglement von Liederabenden durfte der wendige Begleiter Justus Zeyen zwei kurze Stücke von Schumann und Chopin beisteuern. Zugaben von Samuel Barber und Franz Liszt versöhnten mit dem verpatzten Anfang. Sicher ist jedenfalls: Nach ihrem Debüt mit gehobenen Cabaret-Nummern wurde Measha Brueggergosman vorschnell das Etikett des Schrill-Kuriosen aufgeklebt. Sie ist im seriösen Fach gewiss noch für Überraschungen gut.
Robert Braunmüller
Die CD „Night and Dreams“ bei der Deutschen Grammophon