Max Rothbart über "Peer Gynt" und den Eisbach

Der Schauspieler über die Ibsen-Inszenierung im Residenztheater und die Eisbachwelle
von  Anne Fritsch
Ist es eine Vorahnung? Ist es Angst? Der junge Peer (Max Rothbart, rechts) begegnet in Sebastian Baumgartens Inszenierung dem älteren Peer (Florian von Manteuffel).
Ist es eine Vorahnung? Ist es Angst? Der junge Peer (Max Rothbart, rechts) begegnet in Sebastian Baumgartens Inszenierung dem älteren Peer (Florian von Manteuffel). © Sandra Then

Henrik Ibsens "Peer Gynt" ist einer, der sich durchs Leben lügt und betrügt, die Welt egozentrisch seinem Wahn anpasst. Sebastian Baumgarten inszeniert das Stück jetzt im Residenztheater. Max Rothbart spielt den jungen Peer. Wir haben mit ihm über die Endprobenzeit zwischen Eisbach und Probebühne gesprochen, über die komplizierte Rolle, die er im Stück übernimmt, über Wahn und Wirklichkeit.

AZ: Herr Rothbart, noch vier Tage bis zur Premiere. Wie laufen die Endproben?

MAX ROTHBART: Ich mag diese Phase gerne. Wenn man viele spannende Zutaten hat und die wie beim Kochen so zusammenpackt, dass es nicht zu viel und nicht zu wenig ist. Dass man es verdauen kann, versteht, was man isst, und trotzdem auch mal was Neues probiert. Da entstehen noch ganz viele Sachen, die dann den Abend ausmachen. Aber es ist auch anstrengend, vor allem für meine Familie, die müssen da alle mitmachen. Trotzdem liebe ich es, den ganzen Tag im dunklen Theater rumzuhirnen.

Kommen Sie da überhaupt zwischendurch noch mal raus an die Luft?

Manchmal habe ich zwischen Kindergarten und Probe auf dem Weg zum Theater eine Stunde und springe kurz mit dem Surfbrett in den Eisbach - und komme dann klitschnass auf der Probebühne an.

Surfen Sie schon länger?

Nein, ich habe erst hier in München damit angefangen. Erst auf der kleineren Welle weiter hinten im Englischen Garten, dann habe ich mich irgendwann vorne ans Haus der Kunst gewagt. Ich war mir da immer nicht sicher: Wie ist da die Stimmung? Darf man da überhaupt hin? Wer entscheidet das?

Das wirkt schon bisschen einschüchternd, wenn man nicht der totale Profi ist.

Das Reinspringen aufs Brett ist schon eine Überwindung. Aber das Coole ist, dass man beim Surfen echt für sich ist, ohne Musik oder Podcast im Ohr. Da ist nur das Rauschen des Wassers, und ich kann alles loslassen, den Kopf freikriegen. Ich bin jetzt sicher nicht unter denen, die da am Sonntagnachmittag vor Publikum die krassen Tricks machen. Ich versuch' einfach, ein paar schöne Turns hinzukriegen. Und egal, ob das klappt oder nicht: Es ist berauschend. Und irgendwie hat das auch was mit Theater zu tun.

Inwiefern?

Man steht am Rand, muss das Brett werfen und darauf landen. Am Anfang geht es nur darum, das zu schaffen, ohne sich wehzutun. Später kann man anfangen, das Timing zu bestimmen, etwas zu entwickeln, den Turn da zu machen, wo man will. Der Sprung aufs Brett ist irgendwie so wie der Auftritt auf der Bühne. Als Schauspielstudent war ich schon froh, wenn ich alle Sätze gesagt habe. Später geht's dann auch hier nicht mehr nur ums Überleben, man kann das Ding an sich reißen und gestalten.

Und Publikum hat man am Eisbach auch.

Aber das ignoriere ich komplett. Ich kann auch nichts, was die beeindruckt.

Jetzt spielen Sie Peer Gynt, der durchaus seine Umwelt beeindrucken will. Wie war Ihr erster Eindruck von dieser Figur?

Ich hatte das Stück vorher nie gelesen. Als Erstes habe ich gedacht, was ist denn das für ein wirklich komplizierter Stoff? Manche Sachen, die heute gar nicht mehr gehen, haben wir ohnehin gestrichen. Umso mehr war ich gespannt, wie wir das angehen werden.

Sie spielen die gereimte deutsche Fassung von Angelika Gundlach. Was bewirkt diese eher künstliche Sprache?

Ich mag das. Und es ist auch spannend, in dieser künstlichen Sprache mal für einen Moment einen Naturalismus zu suchen und damit zu experimentieren. Die Reime und das Versmaß geben einen Rhythmus vor, dem man sich nicht widersetzen darf. Das macht mir ehrlich gesagt ziemlich viel Spaß.

In welcher Zeit verortet die Inszenierung von Sebastian Baumgarten das Stück?

Wir setzen uns natürlich mit unserer Gesellschaft auseinander, aber es ist nicht so, dass alle Anzüge tragen und Handys haben. Wir benutzen vielmehr Zeichen aus verschiedenen Zeiten.

Am Anfang sind die Lügen von Peer noch recht kindlich und einigermaßen harmlos, eher Abenteuerfantasien.

In der Konsequenz für die anderen sind seine Eskapaden aber gar nicht harmlos. Gleich am Anfang war er sechs Wochen weg, während die anderen die Ernte gemacht haben. Da fehlt einer, der dringend gebraucht würde. Die Folge ist, dass es nicht genug zu essen gibt. Das ist ganz schön hart. Dann entführt er die Braut, es findet ein Übergriff statt - es geht schon recht heftig los.

Kann er selbst unterscheiden zwischen Wahn und Wirklichkeit? Merkt er, was er anderen antut?

Es gibt immer mal Momente, in denen er sehr wohl erkennt, was er tut. Aber, und das ist auch das Krasse an der Figur: Er zieht daraus keinerlei Konsequenzen. Das macht es noch härter. Er kriegt es mit und entscheidet sich, weiter zu machen. Er will nicht anders oder kann nicht anders. Das Vorhandene reicht ihm nicht, er will immer höher hinaus. Da ist er in seinem Größenwahn und Narzissmus gefangen.

Würden Sie sagen, dass er psychisch ein echtes Problem hat.

Absolut. Wir haben uns intensiv mit dieser Figur auseinandergesetzt, auch wenn wir kein psychologisches oder naturalistisches Spiel machen. Narzissmus ist ein riesiges Thema an dem Abend, auch als Quellkraft des Kapitalismus. Da gibt es ja genug Beispiele in unserer Gesellschaft, ob Jeff Bezos oder Elon Musk, bei denen man auch das Gefühl hat, dass die links und rechts alles liegenlassen nach dem Motto "Scheißegal, ich will noch höher und noch weiter". In der deutschen Politik würden mir ebenfalls ein paar Beispiele einfallen.

Sie spielen den jungen Peer, Florian von Manteuffel den älteren. Begegnen sich die beiden Versionen dieser Figur auf der Bühne?

Ich liebe Florian sehr. Wir haben schon sehr oft zusammen gespielt und ich würde behaupten, das macht uns beiden große Freude. Darum haben wir sehr gerungen nach Momenten, in denen wir zusammen spielen können - und es gibt tatsächlich Versuche von Begegnungen. Ob das eine Traumbegegnung ist oder eine Art Vision, was hätte sein können.

Wie ist es, die Rolle in der Mitte quasi abzugeben?

Ich finde das eigentlich ganz interessant, den Rucksack weiterzugeben. Und ich komme in anderen Funktionen auch im zweiten Teil noch vor, muss also nicht bis zum Applaus in der Garderobe warten.

Haben Sie gegenseitig bei den Proben des jeweils anderen reingeschaut?

Immer mal wieder. Ich wollte schon wissen, was ich auch für die Erzählung vorne nutzen kann. Und ich habe Florian auch ab und an im Zuschauerraum entdeckt.

Sie kennen sich aus Basel, wo sie vier Jahre gemeinsam am Theater waren. Wie wichtig ist Ihnen so eine Kontinuität in der Zusammenarbeit?

Basel war mein Erstengagement, drum kenne ich das gar nicht anders. Es ist toll, zusammen als Ensemble zu wachsen und sich immer besser kennenzulernen. Wir sind als große Truppe mit Andreas Beck aus Basel nach München gekommen, das schätze ich total. Da gibt es richtige Freundschaften, inzwischen auch unter unseren Kindern, und das ist in diesem wechselhaften Beruf ein großes Pfund. Für mich ist das ein echtes Glück, dass ich da hineinwachsen durfte. Ich freue mich aber auch immer über neue Gesichter, da kommen neue Impulse und Energien. Und das ist natürlich sehr viel wert!

Premiere am Samstag, 14. Oktober, weitere Vorstellungen am 17. und 23. Oktober, 3., 11. und 20. November. Karten unter residenztheater.de

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