Marlene Morreis: "Die Dicke" vom Schichtl
Von Estland bis Island ging bisher die Reise der TV-Thriller am Donnerstag. Nun versucht die ARD, mit Dänemark ein weiteres Reiseziel für Krimifreunde zu etablieren. Zum Auftakt überrascht Hauptfigur Ida (Marlene Morreis) mit einem Kardinalfehler. Denn als in der einstigen Wikingerstadt Ribe eine wilde Party steigt, weist die gestresste Streifenpolizistin die seit Tagen vermisste Smilla (Anne Kanis) im Revier einfach ab. Dabei konnte sich die junge Frau gerade von den Fesseln ihres Peinigers befreien. Ida-Darstellerin Marlene Morreis spricht im Interview aber nicht nur über die angenehm "normale" Ermittlerin, sondern auch über ihren außergewöhnlichen Werdegang.
Marlene Morreis arbeitete im Münchner Atomic Café als Türsteherin
AZ: Frau Morreis, haben Sie schon die Ausstellung "Nachts. Clubkultur in München" im Stadtmuseum besucht?
MARLENE MORREIS: Leider nicht, weil ich gerade in Berlin einen Film drehe. Aber ich weiß natürlich, worauf Sie anspielen, schließlich habe ich im dort nachgebauten Atomic Café mal als Türsteherin gearbeitet. Im Übrigen gibt es immer noch eine Facebook-Gruppe mit ehemaligen Mitarbeitern, in der wir uns austauschen.
Wann sind Sie zum Film gekommen?
Ich war schon ganz früh ein Filmfan, habe im Kino öfter drei Filme am Stück geschaut. Im oberösterreichischen Schärding, wo ich aufgewachsen bin, gab es in meiner Reichweite aber keine Schauspielschule. Erst mit dem Kontakt mit Klaus Lemke wurde mir bewusst, dass das ein Beruf ist, den man auch ergreifen kann. Ich muss allerdings auch mal dem Gerücht widersprechen, dass ich von ihm im Atomic Café entdeckt wurde.
Klaus Lemke entdeckte Marlene Morreis im Atzinger
Was ist an dem Gerücht, das sogar auf Wikipedia verbreitet wird, denn falsch?
Klaus Lemke hat mich zwar entdeckt, aber schon viel früher, 1999. Da habe ich noch im Atzinger gekellnert. Er hat dort einmal in der Woche einen Schnaps getrunken und seinen nächsten Film mit einer Kollegin von mir besetzt. Sie meinte dann, ob ich nicht auch eine Nebenrolle spielen wolle. Ich wäre ihm aufgefallen. Als ich Klaus Lemke dann traf, hat er mir doch gleich die Hauptrolle gegeben und die andere Schauspielerin rausgeschmissen.
Wie waren Ihre Erfahrungen mit der unkonventionellen Arbeitsweise von Klaus Lemke?
Ich habe wegen ihm sicher noch mehr Feuer für die Schauspielerei gefangen, ich hätte ja auch etwas anderes im Filmbereich machen können. Aber es wurde mir auch bald klar, dass ein Filmdreh mit Klaus Lemke nicht unbedingt dem Standard eines normalen Filmdrehs entspricht. Was aber vielleicht auch ganz gut ist.
"Beim Lustspielhaus war ich eigentlich nur als Kellnerin angestellt"
Sie sind dann ans Lustspielhaus gegangen, später für sechs Monate nach Alaska und dann wieder an eine Schauspielschule in den USA. Erklären Sie doch mal diese ungewöhnliche Odyssee?
Zuerst war ich nach dem Lemke-Dreh noch "die Dicke" beim Schichtl auf dem Oktoberfest. Beim Lustspielhaus war ich dann eigentlich nur als Kellnerin angestellt. Für eine Bühnenproduktion hat denen aber noch jemand gefehlt. Deswegen bin ich dort auch noch aufgetreten.
Und wann begann dann das Umdenken, den Beruf doch ernsthaft weiterzuverfolgen?
Nach Alaska konnte ich das, weil ich gerade mit meinem Studium fertig war und keinerlei Verpflichtungen hatte. Dort habe ich dann Shakespeare gespielt und gemerkt, dass ich auch auf Englisch spielen kann und die Ausbildung ernsthaft vertiefen will. Nur war ich für die staatlichen deutschen Schauspielschulen mit 27 Jahren leider zu alt. Und bevor mein Traum dann endgültig zerbrochen wäre, bin ich an eine Universität in New York und habe dort Schauspiel studiert.
Marlene Morreis hätte fast an der Seite von Hollywood-Star Sharon Stone gespielt
Wie waren Ihre Erfahrungen in den USA?
Das war anstrengend, weil die Schauspielschule doch teuer war und ich nebenher manchmal schwarz arbeiten musste, um mein Leben zu finanzieren. Ich hatte dann sogar ein tolles Rollenangebot an der Seite von Sharon Stone. Nur hatte ich damals lediglich ein Künstlervisum, keine Green Card. Das war für das Studio am Ende nicht ausreichend, was eigentlich einer illegalen Diskriminierung gleichkommt. Als Schauspielerin kann man da leider nichts machen. Deswegen bin ich nach München zurück. Und glücklicherweise ging es dort mit der Serie "Schafkopf" schnell gut los, so dass sich der Weg in die USA erübrigt hatte.
Dieser etwas andere Weg zum Erfolg, gepaart mit einer großen Portion Hartnäckigkeit, zeichnet auch ihre Ermittler-Figur im "Dänemark-Krimi" aus.
Ich mochte an Ida, dass sie eigentlich eine ganz normale Streifenpolizistin ist, der eben nur ihre Verbissenheit hilft. Allwissende Mord-Kommissare gibt es in Krimis zuhauf. Ganz ungewöhnlich an der Figur ist auch, dass sie Fehler machen darf. Im Endeffekt verbockt sie zu Beginn sogar den ganzen Fall! Diese menschliche Schwäche gepaart mit dem Gedanken, dass sie das jetzt nicht auf sich sitzen lässt, gefiel mir ausgesprochen gut.
Sie selber haben Nordische Philologie in München studiert, auch in Schweden gelebt. Wie haben Sie dort die Menschen erlebt, die im Film doch als sehr verschlossen gezeichnet werden?
Ich habe die Menschen wirklich ganz anders, offen und aufgeschlossen, erlebt, auch wenn ich Dänemark nicht so gut kenne wie Schweden. Diese Düsternis im skandinavischen Krimi, dieser Stempel des "Nordic Noir", ist vor allem eine bewährte, künstlerische Entscheidung. Dabei ist es im Sommer dort im Norden ja eigentlich nur zwei Stunden lang dunkel. Wohl deswegen spielen die Filme, wie unserer, alle im Winter. Ich möchte aber hinzufügen, dass meine Figur mit ihrer geerdeten Rechtschaffenheit überall auf der Welt vorkommen könnte.
Die Quote entscheidet, ob die Reihe auch fortgesetzt wird. Gäbe es im Fall der Fälle denn schon entsprechende Ideen für die Weiterentwicklung ihrer Figur?
Es wird tatsächlich schon daran gearbeitet, wie es für Ida weitergehen kann. Mehr will ich aber auch nicht darüber wissen, weil ich mir die Spannung erhalten will, bis ich das fertige Drehbuch in den Händen halte. Dennoch muss man erst einmal abwarten, wie der Film ankommt.
"Der Dänemark-Krimi: Rauhnächte", ARD, Donnerstag, 20.15 Uhr
- Themen:
- ARD
- Kultur
- Oktoberfest