Markenzeichen verrückt

Die lange unversöhnlichen Cousinen Katharina und Eva sind schon zusammengebracht. Jetzt müsste nur noch Nike Wagner gewonnen werden. Die drei sind ein perfektes Theatertrio aus Regie, Betriebsbüro und Dramaturgie.
von  Abendzeitung

BAYREUTH - Die lange unversöhnlichen Cousinen Katharina und Eva sind schon zusammengebracht. Jetzt müsste nur noch Nike Wagner gewonnen werden. Die drei sind ein perfektes Theatertrio aus Regie, Betriebsbüro und Dramaturgie.

Wäre Salzburg wie Bayreuth, müssten Festspielbesucher am Café Bazar einen Checkpoint passieren. Jenseits der Salzach wäre die Mozartwoche das Herrschaftsgebiet der Amadeus-Urururenkel. Hugo von Hofmannsthals feindliche Nachkommen regierten am Domplatz auf den „Jedermann“-Brettern, während sich Karajans Witwe samt ihren beiden dirigierenden Töchtern an Ostern und im Sommer über den Spielplan der Festspielhäuser in den Haaren lägen.

Aber die überlebenden Amadeus-Söhne starben kinderlos lange vor dem Ausbruch des Festspielwahnsinns. Niemand aus der Sippe der Salzburg-Gründer Richard Strauss, Hofmannsthal und Karajan sitzt in irgendwelchen Gremien oder hat jemals Ansprüche auf die Intendanz angemeldet. Bayreuth ist anders: Obwohl auch dieses Spektakel weitgehend von unseren steuerzahlenden Ahnen finanziert wurde, blieb das Festspielhaus im Privateigentum der Familie, ehe es 1972 in die Richard Wagner Stiftung überführt wurde. Dank verschachtelter GmbHs änderte das an den Machtverhältnissen nichts.

Irgendwas muss dran sein

Offenbar ist Wagners Blut ein ganz besonderer Saft. Anders als bei Mozart schlagen seine Gene auch noch in der dritten Generation durch. Sohn Siegfried war ein schrulliger Komponist, umstrittener Dirigent und achtbarer Regisseur. Der Enkel Wieland prägte den abstrakten Inszenierungsstil der Nachkriegszeit nicht nur bei den Werken des Meisters. Bruder Wolfgang war in seinen guten Jahren ein Theater-Impresario alter Schule, dessen Kasse stimmte und der vieles auf seiner Bühne duldete, was ihm persönlich gegen den Strich ging. Und die „Meistersinger“ seiner Tochter Katharina spalteten das Publikum: Irgendwas muss also dran sein.

Wenn die Salzburger einen Mozart hätten, säße er wahrscheinlich ausgestopft im Café Glockenspiel. Und die Karten wären dreimal so teuer. Die auf den Bayreuther Meister zurückgehende Kontinuität ist altmodisch, feudal und verrückt. Aber sie ist das Markenzeichen der Festspiele. Nike Wagners Idee, Bayreuth den „besten Musiktheater-Machern dieser Welt“ zu übergeben, lässt schaudern: Ulrich Peters, Gerard Mortier, Sir Peter, Nikolaus Bachler und Jürgen Flimm wären langweilig. Worüber sollte man sich dann jeden Sommer noch aufregen? Da ist der allzumenschliche Krach in der Wagner-Familie doch erheblich unterhaltsamer.

Wenn es schon ohne Wagner nicht geht, wollen wir die ganze Familie und wünschen uns als empfindsame Seelen die Überwindung des Bruderzwists zwischen Wolfgang und Wieland. Die Eigenschaften der konkurrierenden Damen harmonieren doch bestens: Katharina könnte inszenieren, provozieren und repräsentieren. Ihre Schwester Eva macht das Tagesgeschäft und sucht Sänger aus, Cousine Nike wird Vordenkerin. Die drei sind ein perfektes Theatertrio aus Regie, Betriebsbüro und Dramaturgie.

Erstaunliche Frontwechsel in der Vergangenheit

Leider ist Nike Wagner für ihren Onkel ein rotes Tuch. Ohne seinen Rücktritt geht sowieso gar nichts. Der Historiker weiß zwar: Julius Cäsars Triumvirate hielten ebensowenig wie Diokletians Tetrarchie und die Viererbande der Mao-Nachfolge. Aber wieso sollte machtbewussten Frauen nicht gelingen, was Männern misslang? Immerhin haben die Frauenversöhner Thomas Goppel und sein Bayreuther Statthalter Toni Schmid die lange unversöhnlichen Cousinen Katharina und Eva zusammengebracht. Jetzt müssten sie nur noch Nike gewinnen.

Schon die Vergangenheit sah erstaunliche Frontwechsel: Peter Ruzicka, zuletzt in Katharinas Bewerbungsteam, saß 1999 in Nikes Boot. Nach der Biennale könnte er sich Freikarten auf ewig verdienen. Das sollte dann aber der einzige Lebenszeit-Vertrag sein. Und Thomas Goppel stünde eine weitere politische Karriere offen: Wer die Wagner-Familie an einen Tisch gebracht hat, schafft auch eine Lösung des endlosen Nahost-Konflikts.

Robert Braunmüller

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