Maria, römisch befleckt?

20 Jahre Recherche: Der amerikanische Filmregisseur Paul Verhoeven hat ein Jesus-Buch geschrieben
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

20 Jahre Recherche: Der amerikanische Filmregisseur Paul Verhoeven hat ein Jesus-Buch geschrieben

Er hat explosive Filme wie „Basic Instinct“ gedreht, zuletzt mit der Kollaboration der Niederländer mit den Nazis im Film „Schwarzbuch“ aufgeräumt. Was kaum jemand wusste: Seit 1985 beschäftigt sich Paul Verhoeven auch mit dem Neuen Testament in einem universitären Forschungskreis in den USA. Jetzt hat er „Jesus“ (Pendo Verlag, 300 Seiten, 19.95 Euro) veröffentlicht. Verhoeven stellt sein Buch, das optisch an das Jesusbuch des Papstes erinnert, in München vor.

AZ: Herr Verhoeven, warum treibt Sie Jesus so um?

PAUL VERHOEVEN: „Gott existiert nicht, aber ich vermisse ihn“, hat ein befreundeter Bibelforscher gesagt. Genau das ist mein Antrieb: Ich würde gerne glauben, aber ich kann es vom Verstand her nicht. In diesem Sinne ist mein Buch auch das Anti-Buch zum Papstbuch. Bei mir geht es um Jesus nicht als Gottessohn und ohne Wunder.

Dann ist Jesus für Sie ein antiker Ché?

Ich habe zwar Jesus mit Ché verglichen, weil diese männerbündische Gruppe um Jesus ständig auf der Flucht war und auch politische Absichten hatte. Auch, dass in der missionarischen Besessenheit alles sektenhaft asketische Züge bekommt, ist ähnlich. Aber Ché wollte die Ideologie eines anderen, von Marx, verbreiten. Jesus hingegen hat mit ungeheurer Wirkung seine ureigene Mission betrieben.

Sie sind Regisseur. Warum haben Sie Ihre Jesus-Forschungsergebnisse nicht verfilmt?

Der Film wäre – bei der seit dem 11. September aufgeheizten Religiosität in den USA – lebensgefährlich für mich, wie eine Fatwa im Islam.

Aber auch schriftlich hat Ihre These von der Vergewaltigung Mariae durch einen römischen Soldaten genügend Sprengkraft.

Jesus war mit großer Sicherheit der leibliche Sohn des Zimmermanns Joseph. Nur fällt auf, dass einige Evangelisten ihn dauernd verteidigen wegen seiner Herkunft. Also stimmte da vielleicht was nicht. Maria könnte von einem römischen Soldaten vergewaltigt worden sein und wurde schwanger. Das kann ich in einem Buch wissenschaftlich diskutieren. Ein Film aber muss sich für eine Version entscheiden und ist damit provokativer.

Wenn Jesus nicht Gottes Sohn war, sondern nur ein Mensch, der glaubte, dass die Gottesherrschaft unmittelbar bevorstand, was fasziniert uns dann heute an Jesus?

Im ganzen Universum, mit kollidierenden Galaxien, herrscht soviel Destruktion. Da ist der einzigartige Versuch Jesus Christus, Menschlichkeit in unsere Welt zu bringen, als Utopie ungemein wohltuend, wichtig und befreiend: Zum Beispiel, im anderen nicht immer erst den Feind zu sehen.

Sie wurden vom „Time“-Magazin wegen Ihrer Filme als „Sultan des Schocks“ bezeichnet. Ihr Buch aber ist seriös wissenschaftlich. Die These von Jesus Christus Homosexualität zum Beispiel lehnen Sie ab.

Weil die Quellen dafür, das geheime, ergänzte Markus-Evangelium, verschwunden sind.

Was werfen Sie den Evangelien letztlich vor?

Sie sind überwiegend Vertuschungsschriften, die mit erfundenen Wundern versuchten, die unter Guerillaverdacht stehenden jungen Christengemeinden aus der politischen Schusslinie der Römer zu nehmen. Letztlich ist Jesus in der Bibel sogar viel harmloser dargestellt, als er historisch und politisch war, weil er in einer fanatischen Endzeiterwartungs-Stimmung ein gefährlicher Aufrührer war.

Was ist Ihr Schluss?

Gott existiert nicht, Jesus ist tot. Aber seine Ideen haben eine unglaubliche Kraft – bis heute.

Adrian Prechtel

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.