Marcel Reich-Ranicki wird 90: Selten schöne Streitlust

Seine Bekanntheitsgrad ist riesig: Deutschlands oberster Literatur-Richter Marcel Reich-Ranicki feiert am Mittwoch seinen 90. Geburtstag – und hat immer noch Lust auf Bücher und scharfe Wortgefechte.
von  Abendzeitung

Seine Bekanntheitsgrad ist riesig: Deutschlands oberster Literatur-Richter Marcel Reich-Ranicki feiert am Mittwoch seinen 90. Geburtstag – und hat immer noch Lust auf Bücher und scharfe Wortgefechte.

Diese heißer krächzende Stimme kennt jeder, auch das rollende R, dazu der wild fuchtelnde Zeigefinger. Seinen Verrissen gibt das die nötige Schärfe, und ehrlich: Keiner rupft seine schreibenden Opfer so schön, so theatralisch, so medienwirksam wie Deutschlands schärfster Literatur- und Medienkritiker Marcel Reich-Ranicki. Am heutigen Mittwoch wird er 90 Jahre alt.

Was den gesundheitlich angeschlagenen MRR nicht abhält, weiter zu schreiben, zu dozieren, zu kritisieren, auch wenn die jüngere Literaturszene längst unbemerkt an ihm vorbeizieht. Und selbst über Herta Müller wollte er nicht reden, als sie den Nobelpreis bekam. Der jüdische Bücher-Maniac aus dem polnischen Wloclawek hat eben Prinzipien. Und den Mut, sich gegen die herrschende Meinung zu stellen. Wenn’s sein musste, bei der Verleihung des Fernsehpreises, den er verschmähte, um bei der Gala, 2008, heftig vom Leder zu ziehen. Über die Qualität des Fernsehens – das ihn doch selbst übers Feuilleton hinaus berühmt gemacht hatte.

Legendär sind seine Wortgefechte im „Literarischen Quartett“, das im ZDF ab 1988 immerhin 13 Jahre lang erfolgreich lief. Seine Co-Diskutanten durften nicht zimperlich sein. Und Schriftsteller wie Günter Grass etwa mussten oft mit harschen Urteilen leben. Die Versöhnung folgte spät. Nur das Zerwürfnis mit Martin Walser wird vermutlich bleiben. Nach dessen Skandalbuch „Tod eines Kritikers“ – wegen Antisemitismusvorwürfen wäre es fast nicht gedruckt worden – fühlte sich MRR tief getroffen.

Was dem obersten Literaturrichter gefiel, lobte er allerdings in den Himmel: oft genug Verstorbene wie seine Heroen Heinrich Heine und Thomas Mann.Christa Sigg

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