Mann in Schwarz rockt Münchens Rentner
Das Johnny Cash-Musical "The man in Black" in der Komödie im Bayerischen Hof – aus der Sicht einer Jugendlichen.
München - Es ist dunkel in München. Ich und meine Freundin Alica stehen vor dem Bayerischen Hof, ein wenig deplatziert zwischen all den schnieken Damen und Herren in ihren Anzügen und Abendkleidern. Sind wir hier wirklich richtig?
Bei dem Johnny Cash-Musical, das wir heute Abend besuchen wollen, hätte ich ein anderes Publikum erwartet, schließlich hatte der Meister himself eines seiner berühmtesten Konzerte vor den Sträflingen eines amerikanischen Gefängnisses gegeben – ein starker Kontrast zu den heutigen Besuchern, die ausschließlich aus Rentnerinnen und Rentnern der Münchner Oberschicht zu bestehen scheinen.
Als die Show beginnt, meine ich zu begreifen, was der Grund hierfür ist: Das Stück kommt einer klassisch inszenierten Tragödie weitaus näher als einem Rockkonzert. Nils Holger Bock alias Johnny Cash erzählt, in einen schwarzen Mantel gehüllt, die Geschichte seiner Kindheit – leider auf Deutsch, was inmitten seiner selbstverständlich auf englischen gesungenen Hits ein wenig seltsam anmutet. Ähnlich irritierend ist die klar erkennbare Tatsache, dass die Darsteller anhand ihrer Stimme und keinesfalls aufgrund ihrer eher mangelhaften schauspielerischen Fähigkeiten ausgewählt wurden.
In die Pause gehen wir mit einem eher enttäuschten Gefühl – und treffen in der Raucherecke prompt auf Roland Heinrich, einen der Hauptdarsteller. Er wechselt im Laufe des Abends zwischen fünf verschiedenen Rollen hin und her. Auf meine zynische Bemerkung zum Altersdurchschnitt der Zuschauer antwortet dieser mit einem Augenzwinkern: "Kann sich halt kein Jugendlicher leisten!"
Schade eigentlich, denn nach der Pause schwingt sich das Ensemble in ungeahnte Höhen hinauf. Was vorher mehr wie der etwas verkrampfte Versuch einer Handlung erschien, wandelt sich nun in ein brillantes Musical, welches die Zuschauer mitzureißen versteht. Die Darsteller scheinen über die Pause das Schauspielern gelernt zu haben. Und selbst die Tatsache, dass Johnny weiterhin Deutsch spricht, erscheint nun nicht mehr störend, sondern auf eine gewisse Art und Weise passend. Brillant die Szene, in welcher Johnny im Drogenwahn zu halluzinieren beginnt, beeindruckend die amüsante Darstellung seines ersten Versuches, einen Plattenvertrag zu bekommen.
Besonders glänzt Roland Heinrich, welcher einmal als Jimmi Rodgers, dann wieder als Dealer und zudem immer wieder einmal als Musiker auf die Bühne tritt.
Als sich das Stück nach zweieinhalb Stunden dem Ende zuneigt und das Ensemble seine letzte Zugabe spielt, klatscht sogar die 80-jährige neben mir entrückt im Takt der Musik.
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- Komödie im Bayerischen Hof