Manischer Humanist

Friedrich Mücke ist erst 29, schon Kinostar, aber sein Standbein bleibt das Volkstheater, wo er die Hauptrolle in Ibsens „Der Volksfeind“ spielt
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Friedrich Mücke ist erst 29, schon Kinostar, aber sein Standbein bleibt das Volkstheater, wo er die Hauptrolle in Ibsens „Der Volksfeind“ spielt

Er ist steil im Aufwind: Für den Kinofilm „Friendship!“ war Friedrich Mücke Bambi-nominiert. In Percy Adlons Spielfilm „Mahler auf der Couch“ verkörperte er den Architekten Walter Gropius, der mit der Femme fatale und Komponistengattin Alma Mahler eine Affäre hat.

Auch am Volkstheater, wo der Berliner seit 2007 ist, wartet nach „Hamlet“ wieder eine Hauptrolle: In Ibsens „Ein Volksfeind“ spielt er den Kurarzt Tomas Stockmann. Regisseurin Bettina Bruinier holt das Stück von 1882 mit Videos und Internet ins Heute. Morgen ist Premiere.

Tomas Stockmann hat ein Heilbad aufgebaut, das seine Stadt bekannt und wohlhabend gemacht hat. Als er herausfindet, dass das Wasser verseucht ist, will er das veröffentlichen. Der Idealist glaubt, man werde ihn als Retter feiern, weil er Unheil verhütet. Er bedenkt nicht die alte Wahrheit, dass man Überbringer schlechter Nachrichten zu köpfen pflegt.

"Die Dramaturgie hat mich reingezogen, wie ein Drehbuch"

Friedrich Mücke kannte das Stück schon als Schauspielschüler. „Die Dramaturgie hat mich reingezogen wie ein Drehbuch“, sagt er. Zunächst erscheint Stockmann als purer Gutmensch, der nach langer Durststrecke endlich sozial angekommt. Er freut sich seines Erfolges, ist gesellig, sonnt sich in der vermeintlich heilen Welt. „Er will Anerkennung, er ist ein Öffentlichkeits-Junkie“, findet Mücke. Stockmann ist eitel und erwartet Lob: „Er will die Wahrheit verteidigen und kann nicht verstehen, warum die anderen das nicht begreifen. Für mich ist er Humanist, der als Arzt dem Eid des Hippokrates verpflichtet ist.“ Als er durch die Intrigen seines Bruders die Unterstützung der Presse und der Bürger verliert, wandelt sich Stockmann zum Fanatiker. Das verseuchte Kurbad steht als Symbol für gesellschaftlichen Sumpf, Verrottung und soziale Dreckigkeit.

„Man fragt sich, wie politisch er eigentlich ist“, sagt Mücke: „Der gesunde Gedanke, etwas verändern zu wollen, ist seine Stärke – und die dreht sich ins Gegenteil. Er steht danach auf verlorenem Posten.“ Sein Job ist weg, die Familie ruiniert. Auch sein Traum von Amerika als anderem Gesellschaftsentwurf zerplatzt. Am Ende will er als Einzelkämpfer mit seiner Tochter eine freie Schule gründen.

Nachdenken über Demokratie, Medienmacht und Politik

Sieht Mücke darin eine Chance? „Ich würde Stockmann schon eine Zukunft geben, so wie ich diesen Ibsen lese. Ich möchte das Ende eher gut sehen, auch wenn es eindeutig kein Happy End ist.“

Für den Schauspieler liefert das Stück Stoff zum Nachdenken über Demokratie, Medienmacht und Politik: „Das führt zu der Frage: Gibt es überhaupt ein System, in dem es einem gut gehen kann? Ich bin da eher skeptisch.“

Was die eigene Zukunft angeht, hat Mücke keinen Grund zur Skepsis. Aber er will dem Volkstheater treu bleiben: „Ich bleibe in München – es funktioniert hier sehr gut“, sagt er.

Gabriella Lorenz

Volkstheater, 24.11. öffentliche Generalprobe, 25., 26. Nov., 19.30 Uhr, Tel. 523 46 55

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