Manege frei im großen Klavierzirkus

Salzburger Festspiele: Lang Lang und Mariss Jansons mit Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 1
von  Robert Braunmüller

Unter den Pianisten gibt es Spezialisten für Tiefe, Ernst und Innerlichkeit. Ihnen hat Franz Liszt späte Klavierstücke zugedacht, die eine ganze Welt in drei Töne legen. Bei seinem Klavierkonzert Nr.1 müssen nach einer groben Schätzung innerhalb von 20 Minuten rund 11000 Tasten gedrückt werden. Das ist mehr was für fingerfertige Kraftarbeiter, die mit ein paar Schweißtropfen das Schwere ganz leicht aussehen lassen.

Lang Lang ist der beste von ihnen. Er bewältigt dieses Konzert im Großen Festspielhaus mit der lockeren Attittüde „Schaut her, ich kann’s” und entdeckt kurz vor Schluss im Scherzando-Finale eine bisher unbekannte Spitzbübigkeit. Auch die seriöse Seite wurde nicht vernachlässigt. Überraschend wie Fantômas wechselte das Klavier die Masken. Mal war es herrischer Diktator, dann verliebt, leidend und sieghaft triumphierend. Rhetorischer und romantischer lässt sich dieses dichte Stück kaum spielen, seriöser aber auch nicht, weil Lang Langs zirzensische Artistik durch die Klangkultur der Wiener Philharmoniker und den humanen Ernst des Dirigenten Mariss Jansons gefiltert wurde.

Als Zugabe spielte Lang Lang in der Konzertmatinée keinen Reißer, sondern Liszts zurückhaltende Consolation Nr. 3. Im Rahmenprogramm kam die eher auf Rundung bedachte Klangvorstellung der Wiener Philharmoniker vor allem Igor Strawinskys „Petruschka”-Ballettmusik zugute, die vom Klischee der Maschinenmusik erlöst wurde. Jansons betonte die Melancholie der Folklore-Zitate und hielt die finalen Tupfer der Streicher wunderbar zweideutig in der Schwebe zwischen Ironie und Tragik. Maurice Ravels „La valse” wirkte eher als Apotheose denn als Apokalypse des Wiener Walzers. Für den Dirigenten des Wiener Neujahrskonzerts 2012 ist das allerdings die kleinste aller lässlichen Sünden.

Lang Langs CD „Liszt – My Piano Hero” mit dem Klavierkonzert Nr. 1 bei Sony

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