Manege frei!
Was ist schon ein ganzes Konzert gegen einen saftigen Zirkuskracher? Scheinbar nichts. Denn erst mit Liszts (Fahrrad)klingelnder „Campanella” brachte Lang Lang die Philharmonie zur Explosion. Und man muss das natürlich können mit all den Kapriolen und Knallbonbons, die der Oberemphatiker da aus dem Flügel schleudert. Doch im Vergleich zur üblichen Lang-Lang-Euphorie bekam sein Beethoven dann fast dezenten Zuspruch.
Dabei gaben sich die Münchner Philharmoniker im Largo des dritten Klavierkonzerts alle Mühe, ihren Stargast auf ein duftendes Lavendelkissen zu betten – und Lang Lang zelebrierte wehmütige Seelenschau. Überhaupt reizte der bald 30-Jährige wieder vor allem die Gegensätze aus. Mit kraftvoll großer Geste huldigte er dem heroischen Tonfall des Kopfsatzes und konnte sich doch nie so recht verkneifen, diesen Beethoven auch in die Manege zu treiben. Aber egal, die Philis federten den circensischen Drang höflich ab. Ihr Liebling, Zubin Mehta, stand schließlich am Pult, das hebt grundsätzlich die Truppenmoral.
Man spürte dieses Einvernehmen. Bei den eindringlich verdichteten Fünf Orchesterstücken von Arnold Schönberg und erst Recht bei Brahms’ erster Sinfonie. Die gab’s, wie nicht anders zu erwarten, im Superbreitwandsound. Nicht nur vom wärmenden Holz hätte man gerne mehr vernommen, und am Ende des vierten Satzes waren die Crescendi leider kaum noch zu steigern. Aber die Klangmassen transportierten Farbe, blieben flexibel, und manchmal braucht man auch nicht jede einzelne Zutat herauszufieseln, um den Eintopf am Ende irgendwie schmackhaft zu finden.