Mama kommt nie mehr zurück

„Grace Is Gone“, ein sensibles US-Melodramvon James C. Strouse über familiäre Folgen des Irak-Krieges mit einem brillanten John Cusack.
von  Abendzeitung

„Grace Is Gone“, ein sensibles US-Melodramvon James C. Strouse über familiäre Folgen des Irak-Krieges mit einem brillanten John Cusack.

8Wir haben es ja gleich gesagt! Diese alt-europäische Haltung gegenüber Amerikanern, die unwillig waren, das Irak-Desaster hinzunehmen, ist moralisch zu bequem – und sie hilft nicht weiter, vor allem denen nicht, die Angehörige verloren haben. So wie Stanley (John Cusack), der selbst aus einer wertkonservativen Soldatenfamilie stammt, aber seine „patriotische Pflicht“ wegen Kurzsichtigkeit nicht erfüllen konnte. Seine Frau Grace wurde eingezogen. Noch bei ihrer Einschiffung hat es Streit gegeben. Jetzt ist sie tot.

Und Stanley steht unter Schock, hadert über die unausgeräumten letzten Worte, will es nicht wahrhaben und versucht, den beiden Töchtern Normalität vorzuleben. Aber die ältere, 13-Jährige, spürt die Lebenslüge, reagiert erwachsener als der Vater, der für die Illusion in panischem Aktionismus zu einem Vergnügungspark nach Florida mit den Töchtern aufbricht.

Road-Movie

„Grace Is Gone“ ist ein Familien-Drama als Road-Movie, und John Cusack, unser oft so netter „High-Fidelity“-Mann, trägt den Film im Alleingang – diesmal als biederer, verzweifelter, sich an die Kriegs-Lügen und Missionsgedanken klammernder Middle-Class-Amerikaner. Und es ist packend, erschütternd und rührend zugleich zu beobachten, wie hinter den Brillengläsern im leicht teigigen Gesicht Schuldgefühle, Zweifel und Verzweiflung miteinander gegen die Fassung ringen.

In den USA ist der Irak-Krieg jüngst schon mehrfach ein Filmthema gewesen: In Brian De Palmas dokumentarstilartigem „Redacted“ über die Verrohung in einem Krieg, der spürbar sinnlos geworden ist. Die bröckelnde US-Heimatfront hat Paul Haggis mit Tommy Lee Jones und Susan Sarandon als Soldaten-Eltern gezeigt. Jetzt ist James C. Strouses Film in die Soldaten-Kleinfamilie, den patriotischen Wesenskern der US-Gesellschaft, vorgedrungen.

Am Ende des Films und von Stanleys Kraft zur Fassade bricht der Vater zur Wahrheit durch. Und wenn er seine Töchter am Atlantikstrand in den Arm nimmt, ist das erlösend und nicht kitschig – und es bleibt die Hoffnung, dass auch das konservative Amerika wandlungsfähig und nicht unbelehrbar bleibt.

Adrian Prechtel

Kino: Museum Lichtspiele OmU

R & B: James C. Strouse

K: Jean-Louis Bompoint

(USA, 86 Min.)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.