Macht zählt, sonst nichts
Das Resi wagt sich an die „Verschwörung des Fiesko zu Genua“ von Friedrich Schiller
Das wird für alle Beteiligten, einschließlich dem Publikum, kein einfacher Abend. „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“, mit der Friedrich Schiller nach seinem Erfolg mit den „Räubern“ endgültig nach den Sternen greifen wollte, wurde schon in seiner Zeit erst mal zum Fiasko und nur nach mehrmaliger Überarbeitung und nachträglich angeschärfter Revolutionsbotschaft ein zeitweiliger Erfolg. Auch heute kommt das Stück selten auf die Bühne: Zu unklar die Botschaft, zu schwer die Sprache, zu verworren die Handlung, so lauten meist die Urteile. Oder sind es doch nur Vorurteile?
„Natürlich ist das Stück eine Herausforderung“, sagt Felix Rech, der wie Shenja Lacher zuletzt in Schimmelpfennigs „Idomeneus“ am Staatsschauspiel zu sehen war. Dass nur wenige Bühnen den Mut zum Fiesko haben, müsse an der Komplexität des Stücks liegen: „Man kann sich da nicht in einen Rausch spielen, Satz für Satz muss erarbeitet oder erkämpft werden.“ Lacher fügt an, dass es vor allem Regisseur Hans-Joachim Ruckhäberle gewesen sei, der beiden Schauspielern die Augen für eine ungewöhnliche Schönheit und Tiefe des Textes geöffnet habe: „Immer wieder hat er uns auf besondere Stellen aufmerksam gemacht, er zeigte uns, was da alles drin steckt. Und tatsächlich sieht man dann ganz viele Verweise, Anklänge und Bedeutungen, die ich vorher gar nicht für möglich gehalten hätte.“
Produktive Spannung
Rech spielt Fiesko, den Grafen von Lavagna, Lacher den Mohr, der den Grafen töten soll, aber zuvor die Seiten wechselt. Die beiden jungen Schauspieler haben sich heuer bei „Romeo und Julia“ kennengelernt und arbeiten augenfällig gern zusammen. Zwar ist der Mohr nicht der Gegenspieler von Fiesko, doch von der produktiven Spannung zwischen Rech und Lacher könnte das Stück profitieren.
Doch um was geht’s nun überhaupt? Das ist, wie gesagt, nicht ganz einfach: Der Fiesko spielt im Genua des 16. Jahrhunderts. In der unabhängigen, stolzen Handelsmetropole entspinnt ein Kampf um die Nachfolge des Fürsten Andrea Doria. Mehrfache Verschwörungen und Intrigen kreisen um ein psychologisches Ränkespiel, bis am Ende der siegreiche Fiesko die ihm angetragene Herzogwürde doch nicht annimmt. Hier, beim Herrscher, der doch keiner sein will, versteckt sich der kleine republikanisch-revolutionäre Aspekt: „Ein Diadem erkämpfen ist groß, es wegwerfen ist göttlich“, tönt Fiesko.
„Doch letztendlich geht es gar nicht um die Republik oder die Politik“, sagt Rech, „sondern immer nur um die Macht.“ Fiesko rede zwar davon, dass Genua frei sein werde, „aber das ist völlig egal“. Wichtig sei den Figuren nur, wie man möglichst schnell die Macht an sich reißen kann. Lacher: „Auch der Mohr oder das Volk haben letztendlich kein anderes Ziel: Wo läuft mein Geschäft am besten, wie kann ich schnell Kohle machen?“
Hier habe man einen ganz offensichtlichen Bezug zur Gegenwart, meint Rech: „Überall Populisten in der politischen Landschaft, die Konzepte sind in Wirklichkeit unwichtig.“
Schiller wollte mit dem Fiesko offenkundig keinen Helden schaffen, sondern eine vollkommen undurchdringliche Person, die nicht nur aus Taktik, sondern aus Überzeugung Befreier und Tyrann zugleich ist. Und das Volk sieht zu und will es auch genauso haben. Diese Verschwörung, sagen Rech und Lacher, sei deshalb am Ende doch ein Psycho-Thriller.
Michael Grill
Residenz Theater, Premiere am Samstag, 19 Uhr (Einführungsgespräch 18.15 Uhr), Vorstellungen auch am 20., 23., 28. und 31. Oktober. Karten über Tel. 2185 - 1940