Machos und Gewalt: Cortellesi über ihr "Morgen ist auch noch ein Tag"

In Italien ist der Film unter den Top 10 der erfolgreichsten italienischen Filme überhaupt. Für Paola Cortellesi, die Regie führte, das Drehbuch schrieb und auch noch die Hauptrolle übernahm, war das ein völlig unerwarteter Erfolg. "Morgen ist auch noch ein Tag" erzählt von einer Frau in Rom 1946, die sich aus der Abhängigkeit von ihrem gewalttätigen Mann zu befreien versucht. Der Film, der original hoffnungsvoll "C' è ancora domani" heißt, ist seit Donnerstag im deutschen Kino.
AZ: Signora Cortellesi, wenn Italiener die Nachkriegszeit betrachten, wie unterscheidet sich der populäre Blick von Ihrem Film?
PAOLA CORTELLESI: Ich habe - bei aller Kunst - einen realistischen Anspruch, damit wir uns heute fragen können: Sind wir soviel weiter? Was ist noch zu tun? Die Italiener als Volk hingegen blicken zu heiter auf die Nachkriegszeit zurück - verklärend. Es gibt einen nostalgischen Satz: "Es war damals besser, obwohl es schlechter war." Meine Großmütter und ihre Freundinnen erzählten von der Nachkriegszeit immer in einem leichten Ton, auch wenn es um schreckliche und dramatische Dingen ging. Aber wenn man dann gesagt hat: Also, war es früher besser?, dann haben sie sofort gesagt: Nein, nicht für die Kinder und nicht für uns Frauen. Ich zeige in "Morgen ist auch noch ein Tag" eine Kultur, in der es normal war, als Mann seine Frau wie sein Eigentum zu behandeln.
Warum kommt der damals gerade erst überwundene Faschismus nicht vor?
Genau weil er überwunden war und man ihn verdrängte. Aber natürlich wirkte die faschistische Kultur weiter: das Feiern der Frau als Königin am Herd und als sorgende Mutter - eingesperrt im Haus. Deshalb sind meine beiden Hauptthemen auch Gewalt und Machismo sowie die ersten freien politischen Wahlen, an denen Frauen teilnehmen konnten, um ihr politisches Recht zu nutzen.
Und wie haben die Frauen das genutzt?
Ich habe für diese Frage zum Beispiel die Doku-Serie "Die Mädchen von 46" angeschaut mit Interviews mit Frauen, die damals 21 Jahre alt waren, also erstmals wählen konnten. Und bei der Abstimmung Monarchie oder Republik haben prompt sehr viele konservativ gestimmt. Vor allem aber war es eine große Freude, endlich überhaupt wählen gehen zu können. 13 Millionen Frauen gingen hin, eine große Zahl.
Wie haben heutige Männer auf Ihren Film in Italien reagiert? Haben sie Scham empfunden?
Nein, aber sie fürchteten sich vor ihm. Zum Beispiel der Ehemann der Gemüsehändlerin, der Amerikaner und der Mann, mit dem Delia vielleicht abhauen will, sind ja alle angenehme Männer. Der Film ist nicht gegen Männer. Fast die Hälfte meiner Zuschauer waren Männer.
Hat ihr Darsteller des machistischen Ehemanns, Valerio Mastandrea, sich nicht gewünscht, etwas sympathischere Züge zu bekommen?
Er war mein größter Trumpf, weil er der beliebteste Schauspieler Italiens und liebenswürdig ist. Und natürlich fand er es anstrengend immer einen harten, ignoranten Mann zu spielen. Die Balance zwischen Lächerlichkeit und Ernsthaftigkeit war schwierig. Meine Idee war, dass die Tyrannen hier Idioten sind. Denn Tyrannen sind weniger beängstigend, wenn sie Idioten sind. Aber die Taten von Ivo, dem Ehemann, sind letztlich unverzeihlich.
Aber kann man diesen Film als Komödie bezeichnen?
Ich schreibe seit zehn Jahren selbst Komödien und trete seit fast dreißig Jahren als Komödiantin auf. Daher liebe ich den Begriff. Drama, Komödie, Drama-Komödie, Dramedy, das ist alles in Ordnung, denn der Film hat so viele Töne und Register und schließt nichts aus. Jeder soll es für sich selbst entscheiden.
Ihr Film hatte in Italien mehr Zuschauer als "Barbie" oder "Oppenheimer". Hat Sie der Erfolg überrascht?
Komplett! Denn das Thema war schwierig, die Epoche auch, und der Film ist in Schwarz-weiß. Die wahrscheinlichste Erklärung für den Erfolg ist, dass die Menschen etwas Wahres über die Gesellschaft unserer Väter, Mütter und Großeltern sehen und hören wollen. Aber man darf nicht vergessen: häusliche Gewalt oder gar Frauenmorde gibt es ja heute auch noch.
Interessant ist, inwieweit Traumata der Vergangenheit in unser Heute weiterwirken?
Ja, dem Mann ausgeliefert zu sein, Gewalt erfahren zu haben, ist ein Trauma, das Frauen psychologisch weitergeben. Auch in nach außen guten und angesehenen Familien wachsen Kinder auf, die dann in den Nachrichten landen, nachdem sie unvorstellbare Taten begangen haben. Das einzige Gegenmittel ist Empathie und liebevolle Zuwendung zu unseren Kindern - auch als Gegengewicht zu dem, was aus Sozialen Medien heute auf sie einstürmt. Nur so kann man den Kreislauf von Gewalt als Erfahrung durchbrechen.
Der Film arbeitet auch viel mit Musik - aus der damaligen Zeit und von heute.
Ich habe viel Musik eingebaut, die mir gefällt, wie den Song "La sera dei miracoli". Musik wirkt auf den Zuschauer unmittelbar, verbreitet eine Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann.