„Lust und Spaß am Mitmachen“

Was der neue Herausgeber und Geschäftsführer mit der bislang unscheinbaren Wochenzeitung „Der Freitag“ alles ausprobieren will
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Was der neue Herausgeber und Geschäftsführer mit der bislang unscheinbaren Wochenzeitung „Der Freitag“ alles ausprobieren will

Während fast alle deutschen Medien mit den Auswirkungen der Krise kämpfen, startet in Berlin eine Wochenzeitung neu: Jakob Augstein hat den kleinen, 1990 gegründeten, bislang politisch weit links stehenden „Freitag“ gekauft und völlig neu aufgestellt. Er heißt jetzt „Der Freitag“ und erscheint donnerstags. Der 41 Jahre alte Jakob ist Sohn des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein.

AZ: Herr Augstein, haben Sie das Wort Finanzkrise schon mal gehört?

JAKOB AUGSTEIN: Sie meinen, man könnte jetzt nichts wagen? Mich schreckt das nicht. Krisenzeiten sind publizistisch gute Zeiten, das gehört zu den Perversionen unseres Berufes. Für ein Medium wie den „Freitag“ ist es von Vorteil, wenn das Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen wächst.

Ist in Deutschland überhaupt Platz für ein zweites intellektuelles Wochenmagazin neben der „Zeit“?

Von der „Zeit“ unterscheiden wir uns in vielerlei Hinsicht. Das Augenfälligste ist schon mal die Auflage. Und wir sind ein völlig anderes Produkt: Wir sind nicht in erster Linie eine Printzeitung, wir sind ein integriertes Medium, das über Papier und Netz zu den Nutzern kommt. Wir sind keine traditionelle Zeitung mehr.

Wer ist Ihr Publikum außer DDR-Nostalgikern und Lafontaine-Wählern?

Ich glaube nicht, dass wir noch viele DDR-Nostalgiker unter unseren Lesern haben. Unser Publikum sind alle politisch interessierten Menschen. Wichtig ist, dass man Lust und Spaß am Mitmachen hat und nicht in einer Konsumentenhaltung verharrt. Wir möchten mit unseren Lesern in eine Diskussion eintreten, es geht uns zentral um Kommunikation. Das spricht sicher jüngere Leute an, aber auch ältere. Ich wäre sehr glücklich, wenn wir vor allem die Menschen Mitte 20 und Mitte 60 gewinnen.

Sie haben gesagt, der „Freitag“ säße mit seinen Lesern im Kreis, während die anderen Zeitungen wie in der Schule dozierten. In Wirklichkeit gibt es doch längst eine große Offenheit etablierter Medien für die Online-Welt.

Ich sehe nicht, dass das so ist. Viele Blätter räumen ihren Lesern nur zähneknirschend die Möglichkeit ein, ab und zu eine Anmerkung abzusondern. Wir dagegen öffnen das gesamte Produkt für den Leser. Er kann bei uns zum Autor werden im Netz und im Print.

Ist das Mitmach-Element ein Allheilmittel?

Ich bin kein Freund von groß tönenden Ansagen, aber wir haben ein neues Verständnis von Journalismus. Nach der alten Lehre ist der Journalisten der große Kommentator, der alles weiß und sein Publikum einseitig beliefert. Unsere Idee ist anders: Wir geben nicht vor, alles zu wissen. Aber wir helfen dem Leser, Informationen zu sammeln. Wir präsentieren ein Angebot, auf das unsere Leser reagieren, was wir wiederum aufgreifen. Ich halte einen solchen kreislaufhaften Qualitätsjournalismus für wirklich neu und zeitgemäß.

Es gibt Verleger, die gar keine Zukunft mehr für den Qualitätsjournalismus sehen.

Das sehe ich ganz anders. Qualitätsjournalismus heißt, sich mit relevanten Sachverhalten auf inhaltlich möglichst hohem Niveau zu beschäftigen. Das muss natürlich für alle Beiträge gelten, egal ob sie aus der Community oder aus der Redaktion kommen.

Für den neuen „Freitag“ wird mit dem Satz geworben: „Journalisten werden zu Informationsmanagern“. Unterschreiben Sie das?

Das Wort „Informationsmanager“ ist leider sehr hässlich. Das klingt nicht wie etwas, das man gerne sein möchte. Aber das Wort beschreibt trotzdem präzise unseren Job. Es bedeutet auch, dass wir Journalisten etwas demütiger werden und uns mehr in den Hintergrund stellen.

Wollen Sie mit dem „Freitag“ in die Top-Liga von „Spiegel“ und „Zeit“, als eine Art Hoffenheim des Journalismus?

Das wollen wir nicht – und das ist wohl auch gar nicht möglich. Wir sind ein Community-Projekt, das schon aus strukturellen Gründen niemals so groß werden kann.

Sind Sie wahnsinnig mutig oder haben Sie zu viel Geld und sind wahnsinnig?

Schauen Sie, die großen Verlage von Springer bis Burda versuchen ständig, sich für die Zukunft neu aufzustellen. Und wir machen das, was die immer nur ankündigen, aber nicht wirklich umsetzen. Wir können das, weil wir kleiner und flexibel sind.

Michael Grill

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