Lust ist ja vielen verdächtig
Eine kleine Kulturgeschichte weltweiter Rauchverbote: Der Wiener Autor über kuriose, hysterische und barbarische Akte gegen Raucherseit dem 15. Jahrhundert – zur aktuellen Wahl
Keinem Wahlsonntag wurde so emotional entgegengefiebert wie dem 4. Juli, dann nämlich werfen sich Raucher und Nichtraucher in ihre letzte Schlacht. Den Wiener Filmemacher und Autor Walter Wippersberg hat die Debatte in seiner Heimat dazu animiert, eine kleine Kulturgeschichte der Rauchverbote aufzuschreiben, die in wenigen Wochen im Promedia Verlag erscheint (176 Seiten, 13.90 Euro).
AZ: Herr Wippersberg, Ihr Buch trägt den Titel „Der Krieg gegen die Raucher“. Ist das nicht etwas übertrieben?
WALTER WIPPERSBERG: Ich bin passionierter Raucher. Und kein vernünftiger Raucher ist gegen Nichtraucherschutz. Aber der ist längst durchgesetzt. Wo Menschen, die Rauch nicht mögen, sich aufhalten müssen, dort darf längst nicht mehr geraucht werden. Die Forderung nach einem Rauchverbot in allen Lokalen geht einfach zu weit.
Warum verläuft die Diskussion so hysterisch?
Weil die militanten Nichtraucher sich mit dem schon Erreichten nicht zufrieden geben, sie wollen jetzt sozusagen den Endsieg. Da geht es wohl auch um die Lust am Verbieten. Es muss aber in einer Demokratie möglich sein, dass sich Raucher freiwillig in einer Raucherkneipe treffen, die alle anderen Leute ja gar nicht betreten müssen. Ich mache doch auch keinen Volksentscheid, dass in der Oper die Musik verboten wird. Wenn sie mir nicht gefällt, gehe ich halt nicht in die Oper.
Aber Rauchen ist gefährlicher als klassische Musik.
Dass Rauchen nicht gesund ist, steht ja völlig außer Frage. Es gibt aber keine monokausalen Erklärungen für Krebs oder Herzinfarkt. In der Medizin geht man von etwa 200 Hauptursachen für einen Herzinfarkt aus. Und ich behaupte, dass es keine einzige Studie zu den Schäden von Passivrauchen gibt, die wissenschaftliche Mindeststandards überhaupt erfüllt. Passivsaufen ist wahrscheinlich viel gefährlicher.
Was meinen Sie damit?
Denken Sie an die ganzen Gewalttaten, die auf Alkohol zurückzuführen sind. Alkohol aber gehört zur bayerischen Biergartenkultur. Alkohol und Tabak sind Stimulantien, die gut zusammenpassen. Auch Kaffee und Tabak. Deshalb hat sich unsere Wirtshaus- und Caféhauskultur so entwickelt, wie sie heute ist. Und die sollte man sich von ein paar Fanatikern nicht zerstören lassen. Ich halte es für barbarisch, das Rauchen nur vom Gesundheitsstandpunkt her zu sehen. Rauchen stimuliert den Geist, davon haben unzählige Künstler Gebrauch gemacht. Sartre, der das Rauchen erkenntnistheoretisch beschrieben hat, wurde zu seinem 100. Geburstag Opfer der Hysterie. Auf einem Plakat zu einer Ausstellung über den Philosophen wurde die Zigarette wegretouschiert.
Wann begann denn der Kampf gegen die Raucher?
Schon mit einem einzelnen von Kolumbus’ Seeleuten, der in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts den Tabak mitgebracht und geraucht hat. Die Inquisition hat ihn zu zehn Jahren Kerker verurteilt.
Eine sehr drastische Maßnahme.
Es gibt in der Geschichte Schlimmeres. So soll der türkische Sultan Murad IV. im 17. Jahrhundert fast 25000 Raucher hingerichtet haben.
Woher kommt der aktuelle Kampf gegen die Raucher?
Die neue Gesundheitsreligion hat ihren Ursprung eindeutig bei den calvinistisch geprägten, amerikanischen Puritanern. Rauchen ist ja auch vor allem Verschwendung und – noch weitaus schlimmer – bereitet Vergnügen. Das können diese Leute mit ihrer ausgeprägten Lustfeindlichkeit nicht vertragen.
Sie bezeichnen das Rauchen als Bestandteil einer gewachsenen Caféhaus- und Wirtshauskultur, andere betrachten das Rauchen als „fremdes“ Laster.
Den Gedanken, dass Rauchen das Fremde in der Kultur verkörpert, hat übrigens niemand deutlicher ausgedrückt als Adolf Hitler. Er sah „das Laster des roten Mannes“ als Bedrohung für den germanischen Körper. Sie kennen das Zitat „Eine deutsche Frau raucht nicht“. Aber ein generelles Rauchverbot in allen Lokalen hat nicht einmal Hitler vorgeschlagen.
Volker Isfort
- Themen: