"Ludwig II." neu verfilmt: Alles gewollt, nichts geschafft

„Ludwig II”: Sabin Tambrea gibt dem jungen König jungenhaften Charme und Tiefe. Ansonsten verzettelt sich das 16-Millionen-Euro-Projekt völlig und bleibt erschreckend atmosphärelos
Adrian Prechtel |
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Immerwieder schimmern in diesem Filmdebakel kleine Perlen auf: Wenn der junge, sanfte Kronprinz plötzlich alle aus dem Sterbezimmer seines verhassten Vaters, Max II Joseph, wirft. Allein mit dem Toten kauert er sich in Embryonalstellung auf das Leichenbett, als wolle er nicht nach vorne, ins Königtum, sondern zurück in die Kindheit.

Wenig später, wieder allein im Vorraum der Krönungszeremonie, wird er sein Spiegelbild küssen: ein Abschiedskuss an unbeschwertere Tage oder Zeichen narzisstischer Homoerotik?
Sabin Tambrea spielt das wunderbar schwebend, so wie er in der einzigen Männerkuss-Szene packend wechselt zwischen Verlangen und Selbsthass.

Aber Tambrea kann den fahrigen, wild zwischen Orten wechselnden, unkonzentrierten Film nicht retten. Da gibt es Landschafts-Kitsch statt Schönheit oder unfassbar Peinliches – wie zum Beispiel den Sissi-Film-Onkel, Herzog Max (Michael Fitz) mit Lederhose und Pfeife unterm Lindenbaum. In über zwei Stunden entsteht nie atmosphärische Dichte, keine Düsternis, nicht einmal Romantik, die ja gerade im nächtlichen Königs-Leben eine überschattete Stimmung erzeugen könnte.

Das Regisseur-Paar Peter Sehr und Marie Noelle hat streberhaft viel zu viel Wissen hineingepackt, so dass sich keine Idee wirklich entfaltet: Ludwigs Homosexualität, mit der er selbstzerfleischend ringt, wird ebenso abgehakt wie Ludwigs konsequenter, politisch brisanter Pazifismus. Wenn dann Schuljungen auf einem militärischen Schießstand von Wagner musisch unterrichtet werden, ist das zwar rührend, aber die Gewehre-zu-Gesang!-Szene wirkt wie aufgesagt. Ludwigs Wagnerkult, sein Abdriften nach dem Scheitern seiner Welterneuerungsvision durch die Kunst, Bauwahn, drohender Staatsbankrott – nichts verschmilzt dramaturgisch zu einer filmischen Einheit.

Stationen werden abgehakt, die Geschichte holpert – nicht nur durch willkürliche Orstnamen-Einblendungen. Man wird dauernd aus der erhofften Film-Illusion gerissen. Auch den Schauspielerwechsel vom jungen (Sabin Tambrea) zum späteren (Sebastian Schipper) König empfindet man als Bruch. Aber man will ja unbedingt alle Stationen und Aspekte unterbringen: Ludwigs Technik-Begeisterung, Frankreich-Liebe und Sonnenkönigs-Kult mit Geisterdinnern im Spiegelsaal von Herrenchiemsee oder Sissis (Hannah Herzsprung) Sympathie mit der Revolution.

Mit einer Kinotour mit den Darstellern und Spezialvorführungen versucht man nun den Film anzukurbeln, um von den 16-Millionen Euro Kosten zu retten, was zu retten ist. Aber nicht nur der König versinkt sebstmörderisch im Starnberger See.

Kino: Arri, Astor Lounge, Arena, Cinemaxx, Eldorado, Mathäser
R: Marie Noelle, Peter Sehr
(D, 130 Min.)

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