Lollipop a la Guttenberg
Bei Süßigkeiten gibt’s ein Problem. Greift man erst einmal zu, wird man schnell zum Wiederholungstäter – bis der Magen rebelliert oder das schlechte Gewissen.
Auch die Plastik-Pop-Versuchung Katy Perry lässt sich im ausverkauften Zenith vom Lustprinzip leiten. Nur das vermaledeite Aufreißen der Packung will nicht so recht gelingen. Da fällt der Vorhang und es passiert erst einmal nichts. Die Bühne, ein quietschbuntes Zuckerstangen-Fantasialand mit Schaumstoff-Wölkchen und zwei illustren Wendeltreppen, bleibt zur Enttäuschung aller Teenies stockfinster. Nach endlos langen Sekunden beginnt eine Märchenstimme in Katys musikalische Naschwelt einzuführen. Ein Schwarzweiß-Video zeigt die aufgedonnerte US-Sängerin, wie sie von einem Metzger traumatisiert wird und einem Kätzchen (nein, kein Kaninchen, aber auch keine Quellenangabe zu „Alice im Wunderland”) in eine Süßigkeiten-Welt folgt, die aussieht wie „Katy und die Schokoladenfabrik”.
Erst jetzt erscheint der „Teenage Dream” hollywoodreif im glitzernden Herz-Top, um seinen perfekt arrangierten Reizüberflutungs-Zitate-Showteppich auszurollen. Dafür bedient sich Perry mal bei Rihannas „Only Girl” (als Akustikversion) oder bei Whitney Houston („I Wanna Dance With Somebody”). Selbst eigene Stücke erinnern wie die t.A.T.u-Imitation „E.T.” manchmal an Eurodance-Bonbons mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum.
Und die Show? Perry greift tief in die Pop-Tüte und zaubert bei den Jahrmarkts- und Trapeznummern ganz viel Pink hervor. Auch rasante Kleiderwechsel – von der Catwoman bis zur Törtchenrockträgerin – dürfen ebensowenig fehlen wie der finale Konfettiregen.
Nur ihre Fleischphobie illustriert Perry originell mit riesigen Wurstgirlanden, aufgehängten Plastikkoteletts und alptraumhaften Pillenvideos. Aber da ist man(n) längst schon überzuckert. Was das extreme Übergewicht an Mädchen im Publikum so natürlich nicht findet und wegen Überfüllung ihrer Toiletten sogar Zuflucht auf der Herrenseite sucht.
Florian Koch