Lob der Gelassenheit
Der Hollywood-Starüber seine Rolle als Kurtisane in Stephen Frears’ Belle-Epoque-Drama „Chéri“ und das Älterwerden
Sie gehört zu den Ikonen des Kinos der späten 80er Jahre, wurde unter anderem durch Martin Scorseses „Zeit der Unschuld“ (1993) und „Gefährliche Liebschaften“ (1988) von Stephen Frears berühmt. In Frears’ „Chéri“ (ab Donnerstag im Kino) knüpft Michelle Pfeiffer an ihre Erfolge im Kostümfilm-Genre an, spielt die Edel-Kurtisame Léa de Lonval, die sich aus dem Geschäft zurückzieht und den verwöhnten Sohn einer Kollegin in die Geheimnisse der Liebe einweihen soll.
AZ: Miss Pfeiffer, würden Sie gerne im luxuriösen Ambiente der Pariser Belle Epoque leben?
MICHELLE PFEIFFER: Nein, ich bevorzuge das Hier und Jetzt. Wir sind heute viel glücklicher als die Frauen damals, haben mehr Chancen, eine größere Freiheit, unser Leben selbst zu gestalten.
Dennoch haben Kurtisanen wohl ein höheres Ansehen genossen als Prostituierte von heute.
Ich glaube nicht, dass der Unterschied zwischen einer Kurtisane und einer Edelprostituierten von heute sehr groß ist. Die Kurtisanen waren für die damalige Zeit sehr unabhängig und konnten gut mit Geld umgehen. Aber sie waren gewiss nicht in allen gesellschaftlichen Kreisen akzeptiert.
„Chéri“ erzählt von verdrängten Gefühlen und offenen Leidenschaften. Ist es vor einer historischen Kulisse einfacher, die Emotionen einer Figur herauszuarbeiten?
Nein. Das Verhalten der Menschen und ihre Emotionen waren damals sehr viel schwerer zu durchschauen. Heute gehen wir direkter mit Gefühlen um. Die Menschen Anfang des 19. Jahrhunderts lebten sehr verhalten. Es ging um Anstand, was sich gehört und was nicht. Die Herausforderung dieses Films war es, die Gefühle so zu verstecken, dass sie für das moderne Publikum dennoch sichtbar und verständlich bleiben.
„Chéri“ ruft natürlich Erinnerungen an „Gefährliche Liebschaften“ wach. Wie hat sich das Filmgeschäft verändert?
Es gibt heute mehr Möglichkeiten, einen Film auf die Beine zu stellen. Damals gab es nur die großen Studioproduktionen und eine Handvoll unabhängig produzierter Filme. Heute sind das Spektrum und die Möglichkeiten der Finanzierung sehr viel breiter.
Was hat sich für Sie persönlich verändert?
Ich war sehr viel jünger, noch keine Mutter, habe viel gearbeitet und nach einer Richtung im Leben gesucht. Das bestand damals fast nur aus meiner Arbeit.
Hat Ihnen die damals mehr Spaß gemacht?
Nein, heute tut sie das! Wenn man sich zu sehr über die Arbeit definiert und alles auf eine Karte setzt, werden manche Dinge zu wichtig. Hat man auch andere Aspekte, die das Leben bereichern, relativiert das auch die Belastungen der Schauspielerei. Heute muss ich mich vor der Kamera nicht mehr beweisen.
In „Chéri“ geht es auch darum, dass schwindende Schönheit die berufliche Existenz verändert.
Für Léa gehört Schönheit sozusagen zu ihrem Stellenprofil. Als sie merkt, dass ihre Schönheit langsam verblüht, weiß sie auch, dass ihre Arbeit davon betroffen ist. Diese Angst hatte ich nie. Ich bin heuer 51 geworden. Ein für Frauen sehr stigmatisiertes Alter. Aber ab 50 nimmt auch der Druck ab, man lebt achtsamer, aufmerksamer, weil man realisiert, wie endlich die eigene Zeit ist. Ich fühle mich gesegnet mit meinem Leben.
Und nicht wie viele andere Frauen in Ihrem Metier als Opfer des Schönheitskultes?
Ich hasse es, mich mehrere Monate vor Drehbeginn immer wieder fit machen zu müssen. Es gibt ja keine geheime Diät, keine Zauberpillen, man muss sehr diszipliniert sein, viel Sport treiben. Sicher ist vor allem die US-Kultur von der Jugendlichkeit besessen. Aber dafür haben Frauen heute viele Möglichkeiten, und gerade in den letzten Jahren Machtpositionen bekommen. Da hat sich auch einiges zum Positiven entwickelt.
Martin Schwickert
- Themen:
- Martin Scorsese