Lippenfürze – und das Hirn geht auf Standby
Der Mann vom Planeten Proll ist gelandet: Nur weil Barth bei seinem Auftritt in München das Programm atemlos durchpeitscht, muss das Hirn nicht in den zweiten Gang schalten. Dennoch füllt der Komiker zwei Mal die Olympiahalle.
Eines kann man Mario Barth nicht absprechen: eine redselige Energie wie nach zwei Feierabendbier zuviel. Alle reflektierenden Hirnregionen sind scheinbar off, der Mundapparat unweigerlich an, Beine, Arme und Gesichtsmuskeln so lange in Bewegung, dass die physische Leistung Applaus abnötigt. „Männer sind primitiv, aber glücklich“: Er verkörpert den Showtitel, so lange er in der Olympiahalle steht.
Der Mann vom Planeten Proll ist gelandet. Bei seinem symptomatischen Vortrag über Frauen, Fernseher und Fernbedienungen kriegt er sich nicht mehr ein vor heiserem Lachen. „Pass' auf“, sagt er, wie immer, wenn er eine neue Witztirade beginnt und es keiner Konzentration bedarf. Als er mit seiner Freundin zusammenzieht, fehlt plötzlich die Fernbedienung in der Bettritze, dem Ort, der für Fernbedienungen doch wie gemacht ist. Und wo findet sie der Mann? Beim Fernseher. Muss man sich mal vorstellen. Dabei heißt das Ding doch „Feeeernbedienung“ – so viele E passen gar nicht in eine Zeile. Dann hat er das Gerät in der Hand, wankt zurück ins Bett und nichts geht. Die Frau hat „den Knopp“ gedrückt. Zu Deutsch: Die Stand-By-Funktion ist abgeschaltet, um Strom zu sparen.
„Knöppe“ und Technik im allgemeinen sind Frauenfallen. Natürlich fährt die Freundin 52 Kilometer im ersten Gang, weil sie Automatik gewöhnt ist. Aber Energie sparen wollen mit dem „Knopp“ am Fernseher! Der Berliner ist längst bei einem anderen Sketch, er hat mehrmals „Pass’ auf“ gesagt, von Handtaschen, Fabrikverkauf und – er lässt nichts aus – dem gemeinsamen Toilettengang zweier Frauen erzählt. Gelacht wird aus Bestätigung, nicht aus Überraschung, und weil Barth das Programm atemlos durchpeitscht, dass das Hirn nicht in den zweiten Gang schaltet.
Am Freitag und am Samstag hat er die Olympiahalle damit ausverkauft. Schließlich sitzt man hier auch nicht anders als vor dem Fernseher. Geschaut wird auf die Videoleinwände, auf das Kamerabild, dass immer wieder nah auf Barths Gesicht zoomt, weil die Bühne sonst nichts zu bieten hat. Daheim gibt es diese Sketche auch umsonst, bei denen Begegnungen zwischen Mann (besoffen) und Frau oder Mann und Mann (beide besoffen) mit langen lautstarken Lippenfürzen enden. Das Hirn geht auf Standby – und niemand drückt den Knopf.
Christoph Gröner
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