Lily Allen in der Theaterfabrik: gnadenlos ehrlich
Diese Frau nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch nicht am Ende ihres frenetisch bejubelten Konzerts in der Theaterfabrik, bei dem jede andere Pop-Prinzessin sich mit einem neuen Outfit, ganz vielen Bussis und dem üblichen „I love you, Munich!“ bedankt hätte.
Ganz anders das Fanlob bei Lily Allen: Toll, dass das Konzert so gut geworden sei. Am Morgen noch hätten sie und ihre Band nämlich gar keine Lust darauf gehabt: „Wir dachten, ihr hier in Deutschland könnt uns sowieso nicht so gut leiden. Außerdem sind die Halle und die Bühne hier viel zu klein.“
Für solche und andere Ehrlichkeiten lieben die Fans Lily Allen. Vor allem ihre weiblichen Anhänger zwischen 15 und 35, die die Song-Texte dieser Pop-Nymphe mit der schnoddrigen Cockney-Schnauze in- und auswendig kennen. So nimmt das Konzert sogar dann Fahrt auf, wenn die 24-jährige Sängerin immer wieder zum fröhlichen Mitsingen einlädt.
Fröhlich klingt bei Allen vieles: Der Ska-Pop von „Smile“, bei dem plötzlich ein Grime-Rapper wild über die Bühne hüpft und mit sensationellem Flow Verse ins Publikum spuckt, während Allen sich tänzelnd in seine Background-Sängerin verwandelt. Oder der Elektro-Pop ihres zweiten Albums, von dem sie unter anderem „Not Fair“ spielt, eine ihrer seltsamsten und zugleich gelungensten Nummern: Eigentlich ein Country-Song mit Synthie-Banjo-Geklimper, in dem es um einen ziemlich perfekten Typen geht, einen Traummann eigentlich, der allerdings einen entscheidenden Makel aufweist: Im Bett bringt er’s nicht. Jedenfalls nicht für die Frau.
Auch live ist Lily Allen immer dann am besten, wenn sie bittere, zynische Wahrheiten und Beobachtungen sehr clever in musikalische Pop-Pralinen verpackt. „Fuck You“ – eine textlich nicht sonderlich komplexe Absage an alle Bösewichte dieser Welt – würde bei jeder anderen Sängerin wütend, zornig und beschränkt klingen. Lily Allen aber intoniert diesen musikalischen Stinkefinger so gut gelaunt und fröhlich, dass er auf einmal doppelbödig und dadurch interessant wird.
Bei alldem strahlt Lily Allen eine natürliche, selbstbewusst sympathische Sexiness aus, die viele ihrer Kolleginnen entweder nie hatten - Amy Winehouse - oder sich durch zu viel Tanz-Choreographie – Beyoncé – abtrainiert haben. In ihrem weiß-schwarz gestreiften, hautengen Plastik-Leotard - mit freiem Blick auf Bauchnabel, Rücken und die noch jugendfreien Zonen des Busens - sah Lily Allen jedenfalls atemberaubend aus: Sexiest Zebrastreifen alive.
Claus Lochbihler
- Themen:
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