Liberal ist nur Mutter Beimer

Die FDP beklagt sich über eine Äußerung in der „Lindenstraße“, dabei hat dort die politische Einmischung eine lange Tradition
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Die FDP beklagt sich über eine Äußerung in der „Lindenstraße“, dabei hat dort die politische Einmischung eine lange Tradition

Eines Tages werde die „Lindenstraße“ ein Dokument für Historiker sein, weil sie das deutsche Leben in Ausschnitten zeigt, sagte Ex-WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf einmal über die ARD-Serie. Genau davor scheinen die Liberalen Angst zu haben. Wie ist es sonst zu erklären, dass sie so dünnhäutig auf die Lästereien eines „Lindenstraßen“-Bewohners reagieren. Der von Kurzarbeit betroffene Installateur Jimi (Christian Rudolf) sagte in der Folge am Sonntag: „Die Politik hilft uns auch nicht. Unsere Super-FDP: Die steckt’s den Hoteliers und den Ärzten hinten und vorne rein. Aber wir vom Handwerk, wir sind die Dummen. Wahrscheinlich, weil wir nicht gespendet haben.“

Der medienpolitische Sprecher der Liberalen, Burkhardt Müller-Sönksen, empörte sich via „Bild“: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat überparteilich zu sein – gerade in Unterhaltungssendungen. Ich wage zu bezweifeln, ob sich die ARD mit einer solchen einseitigen Parteinahme einen Gefallen tut.“

Die Figuren sagen, was Schöpfer Geißendörfer denkt

Müller-Sönksen scheint die Serie nicht allzu oft gesehen zu haben. Denn der Bezug auf aktuelle politische Themen hat dort Tradition. Schöpfer und Chefautor Hans W. Geißendörfer ist ein Alt-68er, der die Bewohner der Straße bei der Bundestagswahl schon für Gerhard Schröder stimmen ließ. Klausi Beimer verbrannte während des Golfkriegs eine US-Flagge und OB Christian Ude durfte bereits zwei Mal sich selber spielen. „Wir lassen natürlich unsere Figuren das sagen, was wir selber denken“, sagte Geißendörfer während des Golfkriegs 2003. „Und wenn das manchmal linker ist als der Durchschnitt, dann ist das nun einmal so.“

Wahlen, Ausländerfeindlichkeit, Atomkraft: Alles, was in Deutschland gerade brisant ist, passiert auch in der „Lindenstraße“. Und wenn Geißendörfer sich über die FDP und die Millionenspende aus der Hotelbranche aufregt, dann lässt er schon mal eine aktuelle Szene nachdrehen.

Der WDR hat damit kein Problem. „Seit fast 25 Jahren ist die ,Lindenstraße’ dem Realismus verbunden“, sagt eine Sendersprecherin der AZ. „Die Autoren haben lediglich ein Thema mit Argumenten aufgegriffen, die ohnehin in der Debatte über die Steuererleichterungen geäußert worden sind. Die Figur Jimi spricht somit nicht für die ARD, sondern äußert eine zugespitzte Meinung in der Fernsehserie.“

Ein kleiner missionarischer Anspruch ist bei Geißendörfer immer mit dabei. Legendär ist Benny Beimers Aufruf zum Stromboykott, der für fünf Minuten ausgestrahlt wurde – viele Zuschauer schalteten im November 1990 das Licht ebenfalls aus. Und Peter Gauweiler verklagte die Macher der „Lindenstraße“, weil WG-Säuferin Chris Barnsteg ihn „Faschist“ nannte.

Einmal wurde es richtig brenzlig: Als Benny eine Demo vor dem Haus von Umweltminister Töpfer plante, setzten echte Umweltschützer die Idee in die Tat um. Damals drohte der WDR, die Serie abzusetzen. Die heftigste Reaktion gab es aber 1990 auf ein eher unpolitisches Thema: Als Carsten Flöter einen Mann küsste, gab es einen Aufschrei der Kirchen und Morddrohungen gegen Schauspieler Georg Uecker.

Die FDP jedenfalls dürfte sich bald wieder abregen. Denn immerhin einen wichtigen „Lindenstraßen“-Unterstützer hat die Partei: „Mutter Beimer“ Marie-Luise Marjan rührte vor der Bundestagswahl für sie die Wahltrommel.

Angelika Kahl

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