Leo Kirchs Amigo-System

Damit das Geschäft florierte, der Geldhahn nicht versiegte, suchte der Winzersohn Leo Kirch die Nähe zu den Politikern in Land und Bund
von  Angela Böhm

Es war ein trister Februartag im Jahre 2001. Über Edmund Stoiber erschien gerade die erste Biografie, warum ihn die Strauß-Spezl nicht mochten. Bayern-Manager Uli Hoeneß drohte, seine Elf nicht in Moskau auflaufen zu lassen, weil dort Minus 19 Grad herrschten: „Da brechen wir uns ja alle Knochen.”

Erwin Huber (CSU), Chef der bayerischen Staatskanzlei und Medien-Minister, griff zum Telefon und rief bei HypoVereinsbank Vorstand Dieter Rampl an. Er bettelte ihn an, den Einstieg Leo Kirchs in die Formel 1 mit einem Milliarden-Kredit zu finanzieren. Andere Banken hatten längst abgewunken. Das Risiko war ihnen viel zu groß. An der Hypo-Vereinsbank war der Freistaat mit acht Prozent beteiligt. Rampl weigerte sich standhaft. Da sprang die halbstaatliche Bayerische Landesbank ein mit der ganz großen „Kirch-Hilfe”.

Der Aufstieg und Fall von Leo Kirch war eng mit der Politik verwoben. Immer hatte der fränkische Winzersohn die Nähe zu Politikern gesucht, damit seine Geschäfte noch besser liefen. Es ging darum, gesetzliche Schranken zu verhindern, attraktive Lizenzen zu bekommen – und das nötige Kleingeld dazu. Der staatlich kontrollierte Bayerische Rundfunk kaufte 1984 bei Kirch Filme für 25 Millionen Euro. Den Deal eingefädelt hatte der damalige Bundesinnenminister Fritz Zimmermann (CSU). Die weiß-blaue Staatspartei half, wo sie nur konnte.

Als Kirch 1997 in Geldnöte geriet, sollte ihm die staatseigene Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) mit 250 Millionen Mark unter die Arme greifen. Der Geheim-Deal flog auf. Edmund Stoiber bekam kalte Füße und schob die Schuld auf seinen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu. Die LfA war nur für den Mittelstand zuständig. Der drohte der CSU mit Wahlboykott. Der Kredit wurde storniert – die BayernLB sprang sofort und unbürokratisch ein.

Die nächste Hilfsaktion folgte 1999. Mit rund 800 Millionen Mark finanzierte die BayernLB Kirchs Übernahme von Premiere. Als danach sein Imperium zu wanken begann, versuchte sich Edmund Stoiber als Türöffner. Er sprach 1999 bei Medienmagnat Rupert Murdoch in Kalifornien vor und versuchte ihn für einen Einstieg bei Kirch zu gewinnen. Der Mann, der jetzt selbst vor dem totalen Absturz steht, sollte das Imperium in München retten.

2002 brach es zusammen. Bei der BayernLB stand Kirch mit 2,02 Milliarden Euro in der Kreide. Seine Pleite stürzte auch die Staatsbank in eine Krise. Sie musste 1000 der knapp 6000 Arbeitsplätze streichen.

Der FC Bayern geriet ebenfalls in die Schlagzeilen. Mit dem Konkurs flog ein Geheimvertrag zwischen Kirch und Uli Hoeneß auf. In zwei Spielsaisonen gab’s insgesamt rund 20,5 Millionen Euro von der Kirch-Gruppe. Angeblich wollte Kirch sich damit die Zustimmung zu einer weiteren zentralen Vermarktung der Bundesliga-Fernsehrechte sichern. Vorsitzender des FC Bayern-Verwaltungsrats war Stoiber. Auch die BayernLB war dort vertreten – mit ihrem Finanzchef Peter Kahn.

Zu den engsten Vertrauten von Leo Kirch gehörte schon als CSU-Nachwuchspolitiker Peter Gauweiler. Der Medienmogul förderte ihn, stellte ihm schon mal einen seiner beiden Jets zur Verfügung für eine schnelle politische Reise nach Israel und erkor den „Schwarzen Peter” zu seinem Haus- und Hof-Anwalt.

Nur die Freundschaft zu Kanzler Helmut Kohl war noch inniger. Gemeinsam sorgten K&K, dass ARD und ZDF private Konkurrenz bekamen. Seine Medienmacht nutzte Kirch dann, um Kohl die Macht zu sichern – als Großaktionär von „Bild” und Herr über SAT.1. Legendär ist seine Propaganda-Sendung „Zur Sache, Kanzler”, für die Kirch 1992 extra den unionstreuen Heinz Klaus Mertes vom BR als Chefredakteur zu SAT.1 holte.

Während die BayernLB lange als Schutzengel für Kirch fungierte, legte der seine schützende Hand über Kohl. Bei der Spendenaffäre um den Kanzler der Deutschen Einheit bestritt er, einer der anonymen Spender zu sein, die Kohl mehr als eine Million Euro Schwarzgeld zugesteckt hatten. Als Kohl die Strafzahlungen seiner Partei aus eigener Tasche bezahlen musste, sammelte Kirch bei alten Kohl-Freunden und half dem Spezl selber mit einer halben Million Euro aus der Patsche. Aber auch Kohls Untergang war nicht mehr aufzuhalten gewesen – und Kirchs „Rentenkasse” setzte ein. Nach dem Machtwechsel von 1999 versüßte er dem Polit-Pensionär für jährlich „bis zu zwölf persönliche Gespräche” das Leben mit 306775 Euro. Auch Kohls Ex-Finanzminister Theo Waigel und Ex-Postminister Wolfgang Bötsch wurden mit einem Beratervertrag bedacht.

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