Legal, illegal, scheißegal?

Filme – oft schon vor dem offiziellen Filmstart – sehen, ohne einen Cent zu zahlen? Im Internet gibt es viele halblegale Filmportale: Wir erklären, was man zu dieser rechtlichen Grauzone wissen sollte
von  Fabian Wahl

Die Abschaltung des illegalen Filmportals kino.to hat vor zweieinhalb Monaten für Aufsehen gesorgt. Die Film- und Kinowirtschaft setzt nun auf gezielte Aufklärung.

WIE ARBEITEN DIE ILLEGALEN FILMPORTALE?
Bereits wenige Tage nach einem Kinostart sind teure Filmproduktionen online zu sehen. Das kann sogar noch vor dem Filmstart in Deutschland passieren, wenn der Film bereits in anderen Ländern gestartet ist. Dazu wird heimlich in einer Kinovorführung die Leinwand abgefilmt, was dann nur eine schlechte Qualität des Materials im Netz ermöglicht. Meist aber kommen echte DVD-Versionen einer Filmproduktion ins Netz. Die Portalbetreiber selbst finanzieren sich unter anderem über geschaltete Werbeanzeigen auf ihren Seiten.

WIE KOMMEN DIE FILME DANN INS NETZ?
Viele Internetseiten liefern die Filme als sogenannte Streams, bei denen auch vor- oder zurückgespult werden kann. Die Filme sind nicht auf dem aufgerufenen Portal wie kinox.to oder movie2k.to selbst gespeichert. Stattdessen wird man beim Aufrufen des Filmes auf andere Internetseiten verlinkt, die den Film gespeichert haben. Der Nutzer selbst nimmt dieses Verfahren in der Regel nicht wahr. Auch Fernsehsender wie die ARD oder ZDF bieten Teile ihres TV-Programms per legalem Streaming an. Die „Tagesschau” kann etwa live oder später auch im Internet angesehen werden.

DARF MAN SICH DIE FILME ONLINE ANSEHEN?
Nach Angaben der in Berlin ansässigen Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) bewegen sich die Nutzer der illegalen Filmportale in einer rechtlichen Grauzone. Beim Streaming werden die Filme in der Regel auf der Festplatte zwischengespeichert. Die Frage ist, ob dies einer Kopie oder Vervielfältigung des Films gleichkommt. Laut GVU wurde in Deutschland noch kein Nutzer angeklagt.

WELCHER SCHADEN ENTSTEHT?
Der Schaden für die Kino- und Filmwirtschaft lässt sich nicht genau beziffern. So ist fraglich, ob ein Nutzer der illegalen Filmportale bei fehlendem Angebot ins Kino gehen oder sich ein Video oder eine DVD ausleihen würde. Experten gehen aber von einem Schaden im Umfang von jährlich mehreren hundert Millionen Euro in Deutschland aus.

HAT DIE ABSCHALTUNG VON KINO.TO ETWAS GEBRACHT?
Statt kino.to haben sich andere illegale Filmportale etabliert. Dennoch will die GVU eine gestiegene Zahl an Kinobesuchen und eine höhere Frequenz in Videotheken bemerkt haben. Am 8. Juni war die Seite kino.to stillgelegt worden. Daraufhin wurde der Begriff „Videotheken” bei Google zwischen dem 20. und 27. Juni 2011 823000 Mal eingegeben. Zwischen dem 6. und 12. Juni waren es noch 301000. Eine ähnliche Entwicklung habe sich beim Begriff „Kinoprogramm” gezeigt, heißt es.

Profitiert haben anscheinend auch die Videotheken. Der Media Control Index stellte zwischen dem 10. und 23. Juni 17 Prozent mehr Filmausleihen fest als im Vorjahreszeitraum. Die Schließung von kino.to markiere einen Wendepunkt, heißt es bei der GVU.

Neu-Regisseur Matthias Schweighöfer bangt um die Früchte seiner Arbeit: „Das ist mein geistiges Eigentum“, sagt er über seinen neuen Film „What a Man“. Schweighöfer ist in ein Berliner Kino gekommen, um über die Themen Raubkopien, illegale Filmdownloads und Filmportale wie kino.to aufzuklären. Das Problem ist: Die jungen Frauen wollen eher über Schweighöfer, seine Rollen und Träume reden – und eher ungern über geistiges Eigentum, Urheberrecht und Filmverwertung. Zur Diskussionsrunde hat die Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte (VGF) an Filmwerken geladen. „Alle Produzenten haben große Sorgen, dass das Modell der Filmverwertung gefährdet wird“, sagt VGF-Geschäftsführer Johannes Klingsporn. +

Deshalb startete die Gesellschaft die Kampagne „Hinter den Kino-Kulissen“, um Jugendliche über die Arbeit, den Aufwand und die Kosten der Film- und Kinoindustrie zu informieren. Sie sollen ein Gespür für den tatsächlichen Wert eines Kinofilms bekommen, um im Optimalfall illegale Filmportale zu meiden. Als Zugpferde wurden prominente Schauspieler gewonnen, darunter eben Matthias Schweighöfer. Mit großem Aufsehen war vor zweieinhalb Monaten das illegale Filmportal kino.to stillgelegt worden. Der erklärte Feind der Film- und Kinobranche lockte Schätzungen zufolge täglich 280000 Besucher an. Mittlerweile soll es aber schon 19 ähnliche Filmportale im Netz geben.

Schweighöfer berichtet unter anderem über die Gründung seiner eigenen Produktionsfirma. Für seinen neuen Film „What a Man“ habe er mehrere Millionen Euro in die Hand genommen. Hunderte Personen hätten mitgearbeitet. „Und das kostet auch richtig Asche“, schildert er. Der Moderator schaut auf die Uhr und schneidet mit der letzten Frage doch noch das sperrige Thema Urheberrecht an. „Ich bin dankbar für jede Kinokarte“, sagt Schweighöfer. Durch Downloads und Raubkopien entstünden „wirklich schwere Schäden“. Vielen sei dies leider nicht bewusst. Er wolle nicht in die Bredouille kommen und eines Tages seine Sekretärin nicht mehr zahlen können: „Danke, dass kino.to weg ist.“

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