Lederhosen und Schläfenlocken
Das Alpine Museum München beschäftigt sich in einer Ausstellung mit der antisemitischen Vergangenheit des Deutschen Alpenvereins und der Beziehung der Juden zu den Bergen
Gerade mal ein Jahr ist es her, dass der Deutsche Alpenverein den wohl prominentesten Alpinisten der Welt im wahrsten Sinne des Wortes vor die Tür setzte. Reinhold Messner hatte den DAV im „Bergsteiger“ in Folge eines jahrelangen Konflikts als Ausgrenzungsverein bezeichnet, der heute noch im Geiste der 1930er Jahre lebe. Der Alpenverein reagierte empört auf den NS-Vergleich und erteilte Messner Hausverbot. Ob die Ausstellung „Hast du meine Alpen gesehen?“ im Alpinen Museum München als Reaktion auf Messners Kritik zu interpretieren ist, sei dahingestellt. Sicher ist allerdings, dass der DAV sich nun offiziell mit seiner antisemitischen Vergangenheit auseinandersetzt.
Die Ausstellung zeigt Zeugnisse und Dokumente der Diskriminierung, vom „Juden-verboten“-Schild bis hin zum judenfeindlichen Auszug aus der Vereinssatzung, aber auch private Gegenstände jüdischer Alpinisten. Christine Roth-Schurtmann, Tochter eines jüdischen Kaufmanns und begeisterten Bergsportlers aus München, hat einige Exponate zur Ausstellung beigesteuert. Gleich im Eingangsbereich stehen die wuchtigen G’nagelten ihres Vaters, seine geliebten Wanderschuhe, mit denen er jeden freien Tag in den Bergen verbrachte. „Mein Vater liebte die Berge, er lebte für sie“, erinnert sich die 72-Jährige, die heute in den USA lebt. „Im Alter von über 80 Jahren sagte er einmal zu mir: ,Das Schlimmste, was mir der Hitler angetan hat, ist, dass er mir meine bayerischen Berge weggenommen hat!’“ Nach seiner Emigration in die USA 1939 kehrte er nie wieder nach Deutschland zurück.
Doch bereits lange vorher waren die Berge für jüdische Mitbürger kein idyllischer Ort der Ruhe und des Friedens mehr. Schon Anfang der 20er Jahre waren an einzelnen DAV-Hütten Schilder mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“ zu lesen. Im Dezember 1924 wurde die jüdische Sektion Donauland aus dem Alpenverein ausgeschlossen.
Als ob man die Berge gepachtet hätte, für den rotbackigen, strohblonden Arier-Stereotypen aus der Nazi-Propaganda, wurden die Bestrebungen, jüdische Mitglieder aus den Vereinen auszuschließen, immer stärker vorangetrieben. Schon lange bevor der Arierparagraph 1933 in Kraft trat, konnte sich der Großteil der deutschen und österreichischen Sektionen als „judenfrei“ bezeichnen.
Dabei waren es gerade die Juden, die auf dem Gebiet des Alpinismus eine Vorreiterrolle einnahmen. Der österreichische Jude Paul Preuß erfand das Freiklettern, Ignaz Stiefel, der Großonkel Christine Roth-Schurtmanns, war Gründungsmitglied der Sektion Hochland, und sogar die Trachten kaufte man in München über Generationen hinweg bei der jüdischen Familie Wallach.
Wenn auch die Auswahl der Exponate nicht überwältigend ist, lohnt sich der Ausstellungs-Besuch dennoch. Vor allem die Rahmenvorträge, Filmvorführungen und Lesungen lassen die jüdische Beziehung zu den Bergen lebendig werden. Vanessa Plodeck
Alpines Museum München,
Praterinsel 5, 22.4. bis
27. 2.2011, Di – Fr 13 bis 18 Uhr, Sa/So 11 – 18 Uhr
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