Le Röck’n’Röll: Phoenix in der Theaterfabrik

Französische Lieblingsband aller Kritiker: Phoenix werden für ihr superelegantes Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“ in den Himmel gehoben und zur Zukunft der Popmusik erklärt. Ein bisschen schade ist, dass die extrem coolen Studioproduktionen der Band live nicht ein bisschen mehr Ecken und Kanten bekommen.
von  Abendzeitung

Französische Lieblingsband aller Kritiker: Phoenix werden für ihr superelegantes Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“ in den Himmel gehoben und zur Zukunft der Popmusik erklärt. Ein bisschen schade ist, dass die extrem coolen Studioproduktionen der Band live nicht ein bisschen mehr Ecken und Kanten bekommen.

Alle Dekaden wieder glänzt Frankreich mit einem relevanten Beitrag zur zeitgenössischen Musik. Nach Téléphone (Hardrock) in den 80ern und Daft Punk (Dancefloor) in den 90ern gibt es wieder eine französische Lieblingsband aller Kritiker: Phoenix werden für ihr superelegantes Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“ in den Himmel gehoben und zur Zukunft der Popmusik erklärt.

Die hochfrequente Tonlage des Kreischpegels in der ausverkauften Theaterfabrik macht zunächst einmal klar, dass es hier nicht mehr nur um Musik geht: Phoenix haben die Feuilletons längst hinter sich gelassen und sind im Starschnitt-behängten Kinderzimmer angekommen. Sänger Thomas Mars, der französische Neffe des deutschen Literaturkritikers Hellmuth Karasek, hat auch live ein sexy Kieksen in der Stimme und verzückt damit seine jugendlichen Rezipienten.

Doch was gibt’s da eigentlich auf der Bühne? Eine luftig-leichte, stylische, durchgängig tanzbare Indiepop-Show, wie gemacht für einen schönen Cocktail-Sommerabend am Atlantikstrand. Phoenix haben offenkundig einen sehr guten Lichtdesigner – die Illumination könnte man direkt bei der Kunstbiennale in Venedig einreichen. Wie Ikonen stehen die Musiker in den Lichtkegeln, was entfernt an die Avantgardisten von Kraftwerk erinnert, nur das ständige Blenden des Publikums mit grellem Stroboskop nervt ein wenig.

Musikalisch wandern sie zwischen früher Blondie, Blumfelds „L’Etat Et Moi“, gelegentlichem Metal (theatralischer Höhepunkt in leider relativ kurzer Song-Version: „Funky Squaredance“) und allen Disco-Hits der letzten 30 Jahre hin und her. Ein bisschen schade ist, dass die extrem coolen Studioproduktionen der Band live nicht ein bisschen mehr Ecken und Kanten bekommt – so ist Phoenix auf der Bühne zwar genauso unwiderstehlich wie Phoenix im CD-Player, aber eben auch nicht mehr.

Drollig sind die Franzosen, wenn sie einen auf Headbanging machen: Let there be le Röck’n’Röll. Am Ende, nach dem aktuellen Hit „1901“, erlaubt die Band dem euphorischen Publikum einen Bühnensturm. Alles tanzt auf den Verstärkern – selten ist Gitarrenmusik so unbeschwert, so frei.

Michael Grill

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.