Laut wie ein startender Jumbo

Der als Kent-Nagano-Nachfolger gehandelte Dirigent Daniele Gatti enttäuschte mit „Elektra“ von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen
von  Abendzeitung

Der als Kent-Nagano-Nachfolger gehandelte Dirigent Daniele Gatti enttäuschte mit „Elektra“ von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen

Bundeskanzlerin Angela Merkel war auch da, Salzburgs Premieren-Schickeria nahm es gelassen hin. Am Ende aber hatten dann doch einige die Nase voll. Dirigent Daniele Gatti, in München (immer noch?) als Nagano-Nachfolger im Gespräch, bekam deutliche Missfallenskundgebungen zu hören, mit Recht: Selten hat man die Musik so vergröbert, lärmend und ohne Differenzierungen vorgesetzt bekommen wie diesmal.

Der Ratschlag des Komponisten, man solle „Elektra“ so dirigieren wie „Elfenmusik“, mag kokett gemeint sein. Aber er drückt auch aus, dass Richard Strauss trotz riesiger Orchesterbesetzung durchaus die atmosphärischen Details beachtet wissen wollte. Unter dem Italiener dröhnten die Wiener Philharmoniker derb und laut, als wollten sie einem startenden Jumbo Konkurrenz machen.

Zu leiden hatte darunter nicht nur das Publikum, sondern auch die Sänger. Ihnen fehlte zumeist die Orientierung. Die Schwedin Iréne Theorin in der Titelpartie begann ihren Monolog „Allein! Weh, ganz allein“ im mulmig-vernebelten Niemandsland einer Intonation, die nur mit größtem Wohlwollen als angemessen bezeichnet werden konnte. Später gelangen ein paar bemerkenswerte Spitzentöne, sofern man sie inmitten der Orchester-Willkür überhaupt noch orten konnte.

Immerhin war die Meier gut

Das gleiche Schicksal erlitt Eva-Maria Westbroek als Chrysothemis. Auch sie hatte mit der drastischen Unerbittlichkeit des Dirigenten ihre liebe Mühe und war oft nur zweiter Sieger. Waltraud Meier outete sich vor der Premiere, dass sie die Klytämnestra nur einmal, für einen CD-Mitschnitt, gesungen habe. Und das sei 15 Jahre her, weshalb sie sich auch „stilistisch von Vielem distanzieren“ müsse. Sie gab eine von Angstträumen zerfressene, aber keinesfalls unsympathische Witwe des von ihr und ihrem Lebensgefährten Aegisth ermordeten Agamemnon, die zwar die beiden Töchter wie in einem Gefängnis hält, aber dennoch immer wieder Rat bei ihnen sucht.

Waltraud Meier und der mit grandioser Nachdrücklichkeit aufwartende René Pape (Orest) boten die einzigen festspielwürdigen Gesangsleistungen. Von Nikolaus Lehnhoffs Inszenierung hatte man keine Wunderdinge erwartet. Aber sie konnte sich sehen lassen. Bühnenbildner Raimund Bauer bastelte einen monströsen grauen Raum – das Innere einer Burg. Er ist für Elektra Lebensmittelpunkt und Zentrale einer „Idée fixe“: Alles kreist um den Gedanken, den Mord am Vater zu rächen. Am Ende sieht man Klytämnestra kopfüber aufgehängt. Schwarzes, unheimliches Getier kriecht über den Boden. Elektras Selbstbetrug, der in ihrem Totentanz gipfelt, bedeutet für alle Verderben und Untergang.

Schade: ein Regisseur, der weiß, wie es geht, ein Weltklasseorchester – und dann Akteure, die jede Chance verspielen. Ein deprimierender Abend.

Volker Boser

Wieder am 12., 16., 20., 23., 28. August im Großen Festspielhaus. Infos zu Restkarten: www.salzburgerfestspiele.at

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