Lang Lang in der Philharmonie
Lang Lang in der Philharmonie: Sein Klavierabend offenbarte Stärken und Schwächen in geradezu aggressiv wirkender Nachdrücklichkeit.
Vielleicht ist es ja tatsächlich von Bedeutung, dass der chinesische Superstar „für seine Konzertauftritte mit Kleidung von Versace ausgestattet wird“, dass er für einen Sportartikelhersteller in Herzogenaurach einen Schuh für die Modellreihe „Gazelle“ entworfen hat, der seinen Namen trägt, dass er bereits mit 25 sich zu einer Autobiographie genötigt sah und immer, wenn er in Kalifornien ist, im Hotel Shutters on the Beach wohnt.
Diese und ähnliche Informationen konnte man im Programmheft immer dann nachlesen, wenn Lang Lang in der Philharmonie gerade wieder einmal dabei war, vor sich hinzuträumen und dabei die Strukturen, etwa einer Beethoven-Sonate, aber einer spanischen Postkarten-Idylle von Albeniz, rigoros zu zerstören.
Sein Klavierabend offenbarte Stärken und Schwächen in geradezu aggressiv wirkender Nachdrücklichkeit. Für zwei Minuten, beim Stretta-Finale in Beethovens „Appassionata“ stand der Himmel ganz weit offen, auch in der zumindest in den beiden Ecksätzen hinreißend musizierten 7. Sonate von Prokofjew. Dann wieder jene Manieren, die den musikalischen Geschmack dieses Ausnahme-Pianisten immer wieder in Frage stellen.
In der „Iberia“-Auswahl von Albeniz wäre rhythmische Akkuratesse dringend vonnöten gewesen. Alicia de Larrocha und - vor ihr- Claudio Arrau haben es vorgemacht. In der herrlichen C-Dur-Sonate Op.2 Nr.3 von Beethoven sind romantische Schleifchen völlig fehl am Platz. Sie verniedlichen nur und drängen das Stück mit virtuoser Oberflächlichkeit in die Ecke harmlos heiterer Fingerübungen, wo es nun wirklich nicht hingehört.
Volker Boser
- Themen:
- Ludwig van Beethoven