Landlerisch lebendig

Pasinger Fabrik: „Bayern jetzt!“ versucht eine „kulturelle Momentaufnahme“ des Freistaats mit Ausstellungen, Musik, Tanz, Theater und Film
von  Abendzeitung

Pasinger Fabrik: „Bayern jetzt!“ versucht eine „kulturelle Momentaufnahme“ des Freistaats mit Ausstellungen, Musik, Tanz, Theater und Film

Hätte Ludwig wirklich die Augen verdreht? Schließlich war er traumwandlerischer Nostalgiker, aber die Zustandsbeschreibung Bayerns in der Pasinger Fabrik trägt im Titel ein ins Heute rufendes Ausrufezeichen. Doch wenn man durch die Ausstellungsräume schlendert, wird schnell klar: „Bayern jetzt!“ ist gerade in beschleunigt modernen Zeiten rückversichernd traditionsbewusst, aber nicht museal!

BAYERN SEHEN: AUSSTELLUNGEN

Die Gegenwärtigkeit der Tradition zeigt sich am besten bei der vermeintlich so balkensepp-lastigen Schnitzerei aus Oberammergau. Nach überstandenem Passionsspiel zeigt die Holzschnitzschule vom Volkstheaterbruder Florian Stückl Studentenarbeiten: Zu Hammer und Zirkel, Meißel und Feile ist als Gegenwarts-Werkzeug die Motorsäge dazugekommen. Sie gibt einer lebensgroßen, hochbeinigen Holzziege kerbige Konturen. In einer lustigen Holz-Reliefreihe sieht man „Fassmalerei“. Die hat nichts mit Bierseligkeit zu tun. „Fassen“ meint vergolden und bemalen. Mit dabei ein Brustporträt-Schnitzbild, auf dem uns der Kini zublinzelt, nur noch mit einer rotgefärbten Hermelin-Schärpe bekleidet.

In einem Nebenraum sind – nach einem Kurz-Exkurs über Stammtischkultur im Hofbräuhaus (siehe Kulturfrage) – Bilder von Wirtshäusern zu sehen, die auch dem strengen Blick des Denkmalschützers standhalten. München ist hier mit der Osteria Italiana, dem Weinhaus Neuner, Augustiner in der Neuhauser und dem Fraunhofer vertreten.

Am überraschendsten dürften die Fotografien von Barbara Stenzel im Lichthof sein: „Tracht ist Mode“. Der Volkskundler Alexander Wandinger hat alte Schnitte und Stoffe rekonstruiert und Trachtenmode nachschneidern lassen. Wer die klaren, unverrüschten Edelformen auf den Fotos sieht, versteht seine umstürzlerische These: Die Trachtenmode stammt aus der Stadt, genauer vom Hofe, wo die Wittelsbacher selbst sie mehr als salonfähig machten. Den beweis liefern Herzog Max (nicht nur im „Sissi“-Film) oder der Prinzregent. Modepuppen mit heutiger Edel-Tracht ohne Edelweiß sind auch ausgestellt – von Michaela Keune, Christine Weber und Lola Paltinger. Was handwerkliche Haferlschuhe sind – rahmengenäht und spikes-artig genagelt – zeigt in einer Vitrine der Altmeister vom Isartor, Schuh Bertl.

BAYERN HÖREN: MUSIK, TANZ, VORTRAG

Den Übergang vom Sehen zum Hören bildet die „Dialektspurensuche“ des Ausstellungsteils von Bernhard Stör, der von den Kelten bis zur heutigen Münchner Würm-Grenze zwischen „s“ und schon schwäbischem „sch“ auf Karten und Schaubildern und mit Hörbeispielen nachgeht, sowie der Ausstellungsteil „Landlerisch“ zum Volkstanz im 3/4-Takt. Live erleben kann man die neue Volksmusik gleich heute mit dem „Pixner Projekt (siehe „Hingehen!“, Seite 15). Am Mittwoch (10.11.) zeigt Josef Zapf in einem offenen Musikantentreffen, dass die Zeiten des strengen Hoagartn vorbei sind: Die Discokugel liegt zwar dekorativ in einem Korb bei der Bar der Pasinger Fabrik. Aber Zapf versucht Volkstanz-Clubbing! Keine Schwellenangst, bitte!

BAYERN IM FILM

Und drei Filme versuchen in der Pasinger Fabrik, Bayern zu fassen: Hans Steinbichlers Familien-Tabu-Porträt aus dem Chiemgau, „Die halbe Wahrheit“, macht übernächsten Samstag (13.11.) den Anfang. Gernstl reist am Mittwoch, 24.11., rum. Und der Literat Werner Fritsch hat 1986 das Niederbayern-Porträt gedreht: „Das sind die Gewitter in der Natur“ (17.11.). Adrian Prechtel

„Bayern jetzt!“: bis 5.12., Pasinger Fabrik (S-Bahn Pasing)

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