Lallen mit Schopenhauer

Gärtnerplatz-Intendant Ulrich Peters über das Oktoberfest als Geschäftsprinzip und das Biertrinken als kategorischen Imperativ
von  Abendzeitung

Gärtnerplatz-Intendant Ulrich Peters über das Oktoberfest als Geschäftsprinzip und das Biertrinken als kategorischen Imperativ

Die Wiesn ist der Traum jedes Intendanten: Wie nur in Bayreuth ist lange vorher alles ausverkauft, und selbst auf Stehplätzen drängen sich die Leute. Wir trafen uns mit dem Gärtnerplatz-Chef auf eine Maß.

AZ: Herr Peters, würden Sie die Wiesn anders inszenieren, wenn Sie dürften?

ULRICH PETERS: Nein. Die Leute wissen, was sie erwartet. Deswegen gehen sie hin. Schade nur, dass es so schwer ist, spontan mit einer Gruppe hinzugehen, weil man ewig vorher reservieren muss. Darauf bin ich aber als Theaterleiter natürlich neidisch.

Können Sie etwas von der Wiesn in Ihr Theater übernehmen?

Schwer. Das Oktoberfest hat einen unschlagbaren Vorteil: Es ist einmalig, während es in München viele Theater gibt. Das Beste an diesem Volksfest ist seine demokratische Vielfalt. Jeder traut sich hin. Im Theater gibt es dagegen immer eine gewisse Schwellenangst. Ein Spielplan, der alle erreicht, ist unmöglich.

Ihre erste Premiere ist am zweiten Wiesnsamstag. Haben Sie das schon bereut?

Der Vorverkauf für E.T.A. Hoffmanns Singspiel „Liebe und Eifersucht“ könnte besser laufen. Aber es wird voll werden: Ich rede von verkauften, nicht von verschenkten Karten. Ich fluche nicht hinter der Wiesn her, weil sie uns das Geschäft kaputtmacht, sondern versuche Leute zu erreichen, die trotzdem ins Theater wollen.

Sie haben die Wiesn vor dem Haus, weil der Gärtnerplatz bei der Jugend so beliebt ist.

Ich bin für leben und leben lassen. Natürlich ist es für unsere Besucher unangenehm, wenn sie im Sommer nach der Vorstellung auf den Treppen kaum durchkommen. Schwierig war es nur in den Ferien: Ein paar Tage lagen Scherben und Pizzakartons herum. Das schreckt Kartenkäufer ab. Ich wurde im Urlaub aufgescheucht und habe per SMS eine Putzkolonne organisiert.

Sie waren beim Anstich im Schottenhamel-Zelt. Wann kam die erste Maß?

Nach einer halben Stunde. Aber das Mitzählen vor 12 war lustig und spannend. Ich war in der Ratsboxe, nicht unten, wo Christian Ude anzapft. Ich bewundere seine Professionalität beim Umgang mit dem Schlegel und den Medien.

Gehen Sie nochmal aufs Oktoberfest?

Bevor ich nach München kam, hat die Wiesnchefin Gabriele Weishäupl zu mir gesagt: „Junger Mann, bei uns werden die Geschäfte auf der Wiesn gemacht.“ Ich bin noch zweimal als Intendant eingeladen, gehe aber auch privat mit meiner Frau hinaus. Im rechten Gwand tut ein Bad in der Menge ein, zwei Stunden gut.

Vertragen Sie auch was?

Ich bin einigermaßen trinkfest, bevorzuge aber Wein. Nur im Sommer und auf der Wiesn ist mir Bier lieber. Ich habe den Vorteil, kein Autofahrer zu sein. Radeln mit einer Maß geht noch. Ab der zweiten fahre ich U-Bahn.

Wo liegt Ihre Grenze?

Wenn ich kein Gespräch über Schopenhauer und Kant mehr führen kann. Sobald aus dem dem Formulieren ein Lallen wird, schäme ich mich vor mir selber. Die Kontrolle verliere ich ungern.

Welches Bier mögen Sie?

Darf ich das sagen? Ich mag Hofbräu, Augustiner und Hacker Pschorr, weil sie malziger schmecken. Spaten-Fan bin ich weniger. Aber das kommt auf den Durst an. Ich trinke auch Doppelbock, Salvator und andere schwere Biere.

Wann mögen Sie die Wiesn am liebsten?

Um fünf, wenn es geregnet hat und sich die Lichter der leeren Fahrgeschäfte in den Pfützen spiegeln. Das hat was Morbides. Ich bewundere auch den Kabarettisten, der in der U-Bahn die Massen regelt. Ich habe schon Züge durchfahren lassen, um ihm zuzuhören.

Robert Braunmüller

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