Lärm in der Oase der Ruhe
Der Münchner Architekt Stephan Braunfels gewann vor einem Vierteljahrhundert den Wettbewerb für den Marienhof und beklagt
den Abtransport „seiner“ Schnurbäume
Wo bleiben eigentlich die Münchner Wutbürger? Leicht verzweifelt steht Stephan Braunfels am Marienhof und schaut zu, wie „seine“ Bäume ausgegraben, zurechtgestutzt und abtransportiert werden. 36 prächtige Sophoren, die in den letzten Jahren „richtig gut angewachsen“ waren und den Platz in eine Oase der Ruhe verwandelten, fast so wie es sich Braunfels einst als junger Architekt vorgestellt hatte.
Eine Geschichte der Verachtung
München und der Marienhof, das ist schon fast die Geschichte einer Verachtung. Das ursprünglich eng bebaute Areal wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört, geräumt und diente dann lange Zeit als Parkplatz. Einen ersten Planungswettbewerb in den 60er Jahren gewann Alexander von Branca, der später auch die Neue Pinakothek baute. Dieser Plan sah noch eine teilweise Bebauung vor, Braunfels, der 1987 den zweiten Wettbewerb für den Platz für sich entscheiden konnte, hatte hingegen eine schwelgerische Idee: Arkaden, Sophoren, eine Wiese, dazu an den Stirnseiten eine Kunstgalerie und ein Wintergarten mit Café. Dass es nie zur Realisierung kam, lag an einem Sparkurs der Stadt, Kronawitter opferte die Idee zugunsten des Kämmerers. 40 Millionen Mark hätte das Projekt wohl gekostet. Immerhin, die damals noch zierlichen Bäumchen wurden gepflanzt und zeigten gerade mit steigender Prachtentfaltung in den letzten Jahren, wie Braunfels’ Arcadenidee eigentlich gemeint war.
Der Marienhof bleibt ein wunder Punkt
„Der Platz hatte endlich und erstmals nach dem zweiten Weltkrieg wieder ein Gesicht – alles vorbei“, schimpft der Architekt der Pinakothek der Moderne, der überhaupt nicht einsehen will, warum die Bäume nun geopfert werden. Denn die jetzigen Grabungen auf dem Marienhof dienen zur Vorbereitung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke, bei deren Realisierung der Platz einen neuen Bahnhof beherbergen würde. Aber die Finanzierung ist noch völlig unklar. Die aktuelle Zerstörung ist definitiv, die künftige Nutzung spekulativ, das ärgert Braunfels am meisten. Er sieht die Grabungen ohnehin als „Vorwand für vollendete Untaten“.
„Wenn nach den Grabungen wieder Bäume angepflanzt werden, dauert es ja wieder mindestens zehn Jahre oder länger, bis die Pflanzen eine einigermaßen stattliche Gestalt haben.“ Die für den Abtransport arg gestutzten Schnurbäume könnten ohnehin nie wieder ihre ursprüngliche Schönheit wiedererlangen, glaubt Braunfels.
Und so bleibt der Marienhof auch knapp sieben Jahrzehnte nach der Zerstörung ein wunder Punkt. Wenigstens eine Nutzung wird in den nächsten Wochen entschieden. Sollte München am 6. Juli den Zuschlag für die Winterspiele 2018 erhalten, soll der Marienhof der Ort für die allabendliche Medaillenvergabe werden. Auf die Braunfels’schen Sophoren müssen die Kameras der Welt aber wohl verzichten.