Kurze Geschichte kurzer Karrieren

Antonella (17) aus Weil am Rhein (Baden-Württemberg) weinte Freudentränen, als es endlich feststand: Sie ist das vierte Mitglied in der neuen Popstars Band Queensberry.
von  Abendzeitung

Antonella (17) aus Weil am Rhein (Baden-Württemberg) weinte Freudentränen, als es endlich feststand: Sie ist das vierte Mitglied in der neuen Popstars Band Queensberry.

Natürlich gab es Tränen. Die gibt es immer bei den ProSieben „Popstars“. Da bildete auch das Finale vom Donnerstag vor 2,6 Millionen TV-Zuschauern keine Ausnahme: Zur vierten im Bandbunde, neben den feststehenden Mitgliedern Leo, Victoria und Gabriella, wurde nach mehrstündiger Geduldsprobe Antonella bestimmt. Per Televoting, was die Sache nicht spannender machte.

Nach der Regel umgefärbt

Denn dass Antonella bei den Fans von den drei Finalistinnen am beliebtesten war, konnte zuvor jeder an den Verkaufscharts von Amazon deutlich ablesen. Drei Alben waren produziert worden; jeweils eines mit den Stimmen von Antonella und ihren Konkurrentinnen Patricia und Kay Kay. Und Patricia war extra brünett geworden, nach der Castingregel: In einer vierköpfigen Band dürfen nicht drei Blondinen sein.

Gegen die besonders hübsche Antonella half alles nichts. Doch wie bei jeder „Popstars“-Staffel wird es auch diesmal erst nach dem Finale richtig spannend. Schafft die Queensberry getaufte Band den dauerhaften Erfolg, oder fällt sie genau so schnell in die Bedeutungslosigkeit wie viele ihrer Vorgänger?

Ein Blick zurück zeigt: Bisher gelangen dem Format nur die Girlgroups. Die 2000 gecasteten No Angels waren bis zu ihrer Trennung drei Jahre später die erfolgreichste Girlgroup Kontinentaleuropas (was heißt, dass nur die Spice Girls mehr Platten verkauften). Monrose, die 2006 explizit als Nachfolger ausgewählt wurden, sind bei der jungen Zielgruppe ebenfalls dauerhaft erfolgreich.

Im Orkus der Popgeschichte

Die Namen der anderen Formationen rufen heute nur noch ein müdes Synapsenzucken hervor. Bro’Sis. Overground. Preluders. Nu Pagadi. Room 2012. War da was? Einen Plattenvertrag hat keine dieser Bands mehr.

Nun also Queensberry. Das Konzept für die Band in Sachen Outfit und Musikstil ist so eindeutig wie schwierig durchzuziehen: Retro, aber modern. Retro bedeutet große karierte Schleifen im Haar; modern, dass auch mal Sprechgesang auf dem Album „Volume I“ auftaucht. Sowieso haben sich die Macher auf die sichere Seite gestellt: Die Lieder sind nicht aufregend, aber absolut zeitgemäßer Pop, klingen ein wenig nach Destiny’s Child, aber ihr hervorstechendstes Merkmal ist ein anderes: Frööhlichkeit!

Der Klang von Fruchtgummi

Mit weniger Ös kann man dieses Epizentrum der guten Laune nicht hinlänglich beschreiben. Bei den Uptempo-Nummern wie der Single „No Smoke“ funktioniert das bestens, aber dass auch eine Ballade wie „I Can’t Stop Feeling“ plötzlich nach Fruchtkaugummi klingen muss, ist bedauerlich. Mit diesem Lied sang sich Gabriella in die Band, und die Produzenten hätten besser ihre Live-Solointerpretation statt der Zuckergussvariante auf CD gepresst.

Dass das erste Album dennoch ein Erfolg wird, ist jetzt schon abzusehen. Auch für die nächsten stehen die Chancen gut: Das Konzept stimmt, die Lieder haben Stil, der Gesang ist ordentlich, die Quoten der Sendung waren so gut wie lange nicht mehr. Die Fans sind da. Jetzt muss die Band in ihren Erfolg hineinwachsen.

Julia Bähr

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