Wolfgang Voigts Konzerte im Haus der Kunst: Ich glaub, ich steh im Wald

Die Kraftwerk-Helden Ralf Hütter und Florian Schneider sind zwar gut 15 Jahre älter, aber mittlerweile gehört auch Wolfgang Voigt zu den deutschen Techno-Dinos. Wie im Loop ist der Mann aus Köln immer wieder da - unverwüstlich und mit immer neuen Projekten, die Musik und Kunst gemeinsam denken.
Die "Tune"-Reihe im Haus der Kunst
Damit ist Voigt der ideale Gast für den Auftakt der Reihe "Tune" (Melodie), die heute im Haus der Kunst in eine neue Runde geht. Ein Gespräch über Erwartungen, Pseudonyme und den Wald, der bei seinen Konzerten heute und am Samstag eine tragende Rolle spielt.
AZ: Herr Voigt, Sie nennen Ihr Projekt "GAS", mit dem man nicht unbedingt Positives verbindet, vor allem wenn noch der aktuelle Album-Titel "Der lange Marsch" dazukommt. Worauf spielen Sie an?
WOLFGANG VOIGT: Der Begriff ist bildlich gemeint. Er beschreibt die künstlerische Fantasie von amorph - "gasförmig" - oder frei fließender Musik, die wie Morgennebel durch einen undurchdringlichen Wald strömt. Und "Der lange Marsch" steht für die ikonenhaften geraden Techno-Bass-Drums, die nicht verhandelbar sind und so alles zusammenhalten.
Sphärenklänge und Wasserrauschen
Hier läuft gerade Ihr zehntes GAS-Projekt - und man fühlt sich in Sphärenklängen, Gezwitscher und Wasserrauschen wie im Wald. Die Titel erinnern an Wagners "Waldweben". Ist das beabsichtigt?
Unbedingt. GAS fantasiert über die Romantik des entrückten Walderlebens mit den Mitteln elektronischer Musik und durch die Pop-Art-Brille. Und natürlich können und dürfen sich rauschhaft psychedelische Effekte einstellen.

Welche Komponisten spielen beim "Langen Marsch" und überhaupt in Ihrer Musik eine Rolle?
Keine.
Der Wald als grüner Faden
Netter Scherz. Der Wald zieht sich wie ein grüner Faden durch Ihr Werk, zum Beispiel beim Projekt "Königsforst" aus den späten 90ern. Mit Techno bringt man den Wald eher nicht zusammen.
Erwartungen zu erfüllen, war nie Kern meiner Musik. Meine Arbeit ist von jeher vom Reiz am Gegensätzlichen, vom Verneinen bestimmter Regeln und Genregrenzen in und zwischen Kunst und Musik geprägt.
Sind Sie eigentlich gerne in der Natur?
Ja, die Natur hatte besonders in meinen jungen Jahren großen Einfluss auf mein Schaffen. Sie ist absolut. Künstlerisch interessant wird die Natur für mich aber erst in der digitalen Sphäre. Verfremdung, Verdichtung, Umdeutung - das sind alles Zauberworte.
Wolfgang Voigt über seine Pseudonyme
Warum arbeiten Sie mit Pseudonymen? Wegen der vielen unterschiedlichen Projekte?
Anders, das Spiel mit Pseudonymen ermöglicht einen sehr freien Blick auf das Werk, da man nicht weiß, wer dahintersteckt. Und die vielen sehr unterschiedlichen Projekte können und sollten nicht alle denselben Namen haben. Vorhersehbarkeit ist doch langweilig.
"Weg. Ziel. Loop. Waldloop" - was ist darunter zu verstehen?
Gute Frage. Zunächst mal klingt das einfach gut! Natürlich spielt das auf die bekannte Formel "Der Weg ist das Ziel" an und verweist von da aus - im Sinne eines anderen Blicks auf die Welt - weiter auf die "Waldloops". Das ist eine Bilderserie, die auf meinen GAS-Covern und Waldfotografien basiert.
Der Loop als zentrales Thema
Der Loop, überhaupt das Repetitive spielt eine große Rolle in Ihrer Arbeit, auch in der Kunst, die derzeit in Ihrer Heimatstadt Köln und in Gstaad in zwei Ausstellungen zu sehen ist.
Ja, der Loop in unterschiedlichsten Formen und Varianten ist eines der zentralen Themen sowohl in meiner musikalischen, als auch in meiner bildnerischen Arbeit. Dieses Denken, das nicht zuletzt von der Struktur computerbasierter Musikprogramme geprägt ist, durchzieht mein Werk auf vielschichtige Weise. Sagen wir es so: Der Loop ist für mich eine Art, die Welt zu sehen.
Und was wird man im Haus der Kunst sehen?
Heute gibt es die aktuelle Version meines GAS-Konzertes. Das ist ein Querschnitt der jüngeren musikalischen Arbeiten im Zusammenspiel mit einem Kunstfilm. Dieser Film führt meine Sicht auf und in den Wald als Ort der psychedelischen Vertiefung. Am Samstag moderiert Thomas Meinecke zunächst ein Künstlergespräch mit mir, und im Anschluss gibt es ein abstrakt-ambientes Konzert mit video-animierten Auszügen aus meiner bildnerischen Arbeit zum Thema Loop. Das Ganze trägt den Titel "GAS/Rückverzauberung - Abstract essentials".
Alles klar. Sie haben einen Hang zum Hypnotisch-Psychedelische. Da sind Sie nah dran am rauschhaften Wagner, der Raum und Zeit vergessen lässt.
Wenn man das von Wagner sagen kann, haben wir was gemeinsam...
Haus der Kunst, Freitag, 28.1., 20 Uhr: "GAS. Der Lange Marsch", Samstag, 18 Uhr: Künstlergespräch mit Thomas Meinecke, 20 Uhr: "GAS. Rückverzauberung", Karten unter www.hausderkunst.de und AK