Was macht der Käfer auf der Art Basel?
Ein wogendes Weizenfeld hat etwas Beruhigendes und schaut auch noch gut aus. Auf der Art Basel ist man um wirkungsvolle Kunst jedenfalls nicht verlegen, gerade auf dem Messeplatz, wo sich alles trifft und sich vor dem Eingang schon wieder ordentliche Schlangen bilden. Es ist zwar viel von Nachhaltigkeit die Rede, Maike Cruse, die neue deutsche Direktorin, hat neun Jahre lang das Berliner Gallery Weekend geleitet und weiß, was in der europäischen Szene ankommt.
Dass die weltweit wichtigste und verkaufsstärkste Kunstmesse jetzt auf Öko macht, ist dagegen nicht zu befürchten. In diesem Metier wäre das eh ein Witz, und die vegane Ersatzkost, die auf dem Rost neben den Kalbsbratwürsten schmurgelt, reißt es sicher nicht raus. Vielmehr werden in den kuratierten Bereichen traditionell nachdenklichere, teils sogar sehr kritische Töne angeschlagen, das gehört zu den sympathischen Feigenblättern der Art.
Agnes Denes hat sich das Weizenfeld bereits 1982 ausgedacht und mitten in Manhattan eine zwei Hektar große Brachfläche bepflanzt. Damit wollte die inzwischen 93-jährige Künstlerin auf den Spekulationswahnsinn bei den Immobilien aufmerksam machen, auch auf den verlorenen Bezug zur Natur und vieles mehr. Zugleich hat Denes ein famoses Stück Land Art geschaffen.
20 Millionen Dollar für Sonnenblumen von einer Künstlerin
Aber was denken sich die Millionäre und Milliardäre, wenn sie nun also an diesem Weizenfeld vorbeiflanieren und am Phone noch schnell einen Basquiat reservieren lassen? Und das Fläschchen Ruinart dazu? Dass sie spontan städtische Top-Flächen aufkaufen sollten, um sie der Natur zurückzugeben? Nette Volte, aber von der Kunst ist es manchmal ein weiter Weg in die Realität.
Es läuft ja auch wie eh und je, Corona ist vergessen. So ganz wie von Sinnen wird zwar nicht mehr jede nur halbwegs erfolgversprechende Bilder-Aktie gehamstert. Doch je heftiger die Krisen, desto größer wird die Sehnsucht nach Kunst. Das ist ein einfaches Gesetz, und auf der Art sorgen 285 Galerien aus 40 Ländern dafür, dass diese Sehnsucht gestillt wird.
Dann darf es in künstlerischer Hinsicht auch global südlicher werden. Das ist an sich schön und gut, politisch oft weniger, wie man seit der Documenta endlich realisiert hat. Aber wenn die Crème des Kunstmarkts nun wieder einmal auf die Biennale in Venedig reagiert - und der Anteil an Schwarzer Kunst steigt eh schon seit Jahren -, dann funktionieren in erster Linie Marktmechanismen. Da sollte man ehrlich sein.
Nicht nur Museen werden diverser und weiten sich über den alten europäisch-nordamerikanischen Kunstkosmos hinaus aus. Auch Sammler. Und es geht schließlich um begehrte Ware, die in absehbarer Zeit noch bessere Preise einspielen wird. An den Frauen konnte man das gut beobachten. Louise Bourgeois musste erst uralt werden, um gerade noch ihren Durchbruch zu erleben. Joan Mitchell war mit ihrem frühen Erfolg in der testosterondominierten Nachkriegsavantgarde zwar eine verblüffende Ausnahme. Doch es dauerte lange, bis die beiden Spitzenpreise wie die Männer erzielten, und nun haben sie der Art gleich die ersten Rekorde beschert.
Mitchels "Sunflowers" gingen bei David Zwirner für 20 Millionen Dollar weg. Gerhard Richter und Josef Albers sind just in derselben Galerie mit "nur" 6 und 1,6 Millionen Dollar geradezu abgeschlagen - man muss auch immer die Größendimensionen sehen. Doch 3,5 Millionen Dollar für Bourgeois' kleine Marmorskulptur "Woman with Packages" ist schon ziemlich saftig. Im Vergleich dazu sind ihre riesigen Spinnen im zweistelligen Millionenbereich fast günstig.
Kürbisse mit Punkten und ein Nachspiel zur Biennale in Venedig
Genauso mischt die Großmeisterin der Punkte wieder vorne mit: Yayoi Kusamas Kürbisse sind Bestseller, ihr doppelter Riesen-Kürbis "Aspiring to Pumpkin's Love, the Love in My Heart" ging auf der "Unlimited", also im kuratierten Bereich für die ganz ausladenden Werke, für 5 Millionen Dollar an eine US-Privatsammlung.
Und um noch einmal auf Venedig zurückzukommen: Claire Fontaines leuchtender Schriftzug "Stranieri ovunque" (Fremde überall), der der Biennale das Motto gab und im Arsenale-Becken in mehreren Sprachen leuchtet, ist für 60 000 Euro bei der Berliner Galerie Neu zu haben. Siebener Auflage. Was in Venedig Lust gemacht hat, ist ein paar Wochen später in Basel käuflich zu erwerben. Die Übereinstimmungen waren allerdings schon sehr viel deutlicher.
Die mittlerweile sehr überschaubare Münchner Galeristen-Truppe muss solche Überlegungen gar nicht erst anstellen. Rüdiger Schöttle ist seinen Künstlerinnen und Künstlern seit Jahren verbunden, ob sie nun Candida Höfer, Thomas Ruff oder David Claerbout heißen, ob Karin Kneffel - mit ihren Mutter-Kind-Darstellungen - oder Goshka Macuga, die sich ständig neu erfindet: Jetzt vergrößert sie die Unterseite von Knüpfteppichen, jagt die Daten durch den 3-D-Drucker und produziert damit kuriose Mondlandschaften.
Daniel Blau hat die üblichen Verdächtigen dabei, u. a. Vater Georg Baselitz, aber auch zarten Warhol. Knust & Kunz sind mit ihren Editionen unschlagbar, das ist eine finanzierbare Einstiegsdroge. Und dann wäre da noch Deborah Schamoni.
In München werkelt sie am Stadtrand, doch das tut nichts zur Sache, wenn man relevante Positionen vertritt. Die strenge Art-Basel-Jury ist seit fast zehn Jahren angetan von ihrem Programm, und es sind auch immer zwei, drei Highlights dabei, die man gerne etwas länger studiert. Mit dem wie von Schnee bedeckten Skelett aus Panther und Hauskatze ("Whose Bones") spielt Flaka Haliti auf die übliche Heraldik an. Löwen oder Adler tauchen ständig auf Flaggen auf, also auch, wenn sich feindlich gesinnte Nationen gegenüber stehen ... Für die Skulptur gibt es bereits mehrere ernsthafte Interessenten. Besser kann's eigentlich nicht laufen. Fragt sich nur, wer die Katze am Ende heimführen darf.
www.artbasel.com, bis 16. Juni 2024
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