Von München nach Paris – Was das Stadtmuseum dem Louvre leiht

Das Münchner Stadtmuseum landet einen Coup: Die Moriskentänzer aus dem Alten Rathauses werden im Pariser Louvre ausgestellt. Oberbürgermeister Dieter Reiter ist begeistert.
von  AZ
Das sind die Kopien der berühmten Moriskentänzer. Sie stehen sonst im Saal des Alten Rathauses und bald schon im Pariser Louvre.
Das sind die Kopien der berühmten Moriskentänzer. Sie stehen sonst im Saal des Alten Rathauses und bald schon im Pariser Louvre. © Stadtmuseum München

Das Münchner Stadtmuseum ist wegen der nötigen Generalsanierung auf Jahre geschlossen. Deshalb kooperiere man "mit renommierten Partner*innen, um weiterhin präsent zu bleiben", wie es in einer Pressemitteilung des Museums heißt. Was allzu bescheiden klingt: Als renommierten Partner gewann die städtische Einrichtung nun nämlich den Louvre.

Gratulation vom OB zu diesem "Coup"

Das Pariser Museum, eines der berühmtesten Kunsthäuser der Welt, hat die Nachbildungen der berühmten Moriskentänzer für eine Sonderausstellung angefragt. Sie gehören zur Sammlung des Stadtmuseums und sind sonst im Alten Rathaus zu sehen.

Oberbürgermeister Dieter Reiter ist begeistert: "Dass der Louvre um eine Leihgabe unserer Moriskentänzer bittet, zeigt, welche Bedeutung unsere Münchner Sammlungen haben", so heißt es in seinem Statement. "Das freut mich sehr und ich gratuliere dem Münchner Stadtmuseum zu diesem ,Coup'."

Demontage der Morisken aus dem Alten Rathaus.
Demontage der Morisken aus dem Alten Rathaus. © Stadtmuseum München

Die Moriskentänzer sind die Symbolfiguren des Alten Rathauses: Ihre Nachbildungen standen noch bis vor kurzem im Rathaussaal, dem Festsaal der Stadt, auf Konsolen in fünf Metern Höhe.

Restauratorinnen und Restauratoren haben die Figuren Ende Mai abgenommen, um sie für die Ausleihe nach Paris vorzubereiten. Vom 16. Oktober bis Anfang Februar werden sie in der Ausstellung "Figures du fou" im Louvre zu sehen sein.

Bildschnitzer aus der Oberpfalz wurde zum neuen Star

Die Original-Figuren stammen aus dem 15. Jahrhundert. 1470 war der alte Bau des Rathauses zu klein geworden, und Jörg Halspach, der damals gerade mit dem Bau der Frauenkirche beschäftigt war, durfte das Alte Rathaus erweitern.

Der Innenausbau wurde dem aus der Oberpfalz stammenden, um 1450 geborenen Bildschnitzer Erasmus Grasser übertragen – und dass, obwohl Mitglieder der Maler- und Schnitzerzunft den jungen Mann 1475 in einem Schreiben an den Rat der Stadt München als "unfridlichen, verwornen und arcklistigen Knecht" (sic!) verunglimpft haben.

Vermutlich hatten die um ihre Pfründe rangelnden Meister schnell überrissen, was der selbstbewusste Eindringling aus Schmidmühlen drauf hatte und wollten ihn auf Abstand halten – ohne Erfolg. Bald schon wohnte er in renommierter Lage an der Dienerstraße zwischen den großen Kirchen, später erhielt der konzeptionell befähigte Mann Bau- und Ingenieursaufgaben wie die Sanierung der Reichenhaller Saline übertragen.

Demontage der Morisken aus dem Alten Rathaus.
Demontage der Morisken aus dem Alten Rathaus. © Stadtmuseum München

Seine heute berühmten, 1480 entstandenen Moriskentänzer sind nur ein Detail in der Gesamtkonzeption des damals geschnitzten Innenraums, zu dem auch Wappen, Gestirne und andere Elemente gehören. 16 Moriskentänzer sind entstanden, immerhin zehn sind erhalten.

Sie zählen zum wertvollsten Besitz der Landeshauptstadt München und lagern dauerhaft im Stadtmuseum: Das hatte der Stadtrat 1957 beschlossen.

Die Originale gehen nicht mehr auf Reisen 

Ende der 1950er fertigte der in München ansässige Bildhauer Josef Baumgartner deshalb die Kopien für den Saal des Alten Rathauses an. Dieser war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Seit dem Wiederaufbau sollen die nah an den Originalen orientierten Schnitzarbeiten einen Eindruck der historischen Situation vermitteln.

Was hat es mit diesen Moriskentänzern auf sich? Tänze und Lieder heimatloser Menschen, von Arabern, Afrikanern, Juden, Griechen und Türken, tauchen erstmals unter dem Namen "Moreske" in Sizilien und Neapel auf und haben auf Reisende aus dem Norden einen starken Eindruck hinterlassen.

Kreuzritter brachten sie vermutlich nach Süddeutschland, und Ende des 15. Jahrhunderts waren die Tänze erstmals bei Fastnachtsspielen zu sehen.

Die als Narren verkleideten Bürger 

Die Musik dazu ist nicht überliefert, aber man folgert aus den Bewegungen, dass es sich um Springtänze gehandelt haben muss, die zu Flöten und Einhandtrommeln getanzt wurden.

Der Moriskentanz ist ein reiner Männertanz, ein Grotesktanz auf die Torheit der Männer beim Werben um eine Frau, zu dem auch komisch-erotische Sequenzen gehören. Die exaltierten Sprünge entsprechen dabei letztlich dem Balztanz eines Pfaus.

Kleiderordnung und Standesgrenzen durften im Mittelalter nur zu Fest- und Narrenzeiten durchbrochen werden, der normale Bürger durfte sich dann verkleiden und "sein, was er nicht ist" – wahrscheinlich liegt darin die Idee von Erasmus Grasser: als Narren verkleidete Bürger über den Köpfen der Obrigkeit im Festsaal tanzen zu lassen.

Bald tanzen sie vor Museumsgästen aus aller Welt im Louvre. Und was bleibt derweil im Alten Rathaussaal? Seit der Abnahme der Figuren befindet sich dort nun ein Tastmodell eines Moriskentänzers, ein Angebot, das auch blinden und sehbehinderten Besuchern einen sinnlichen Zugang zu dem bedeutenden Kunstschatz ermöglichen soll.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.