Klima Biennale Wien: Vom Salz des Lebens
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wo all die Bäume gepflanzt werden, die das Öko-Gewissen so schön beruhigen? Wenn man zum Beispiel ein Flugticket bucht und noch ein paar Euro extra zahlt, um eben das böse CO2 zu kompensieren? Die norwegische Künstlerin Eline Benjaminsen ist diesem wunderbaren Versprechen nachgegangen und mitten im Embobut-Wald in Kenia gelandet.
Dort wird im großen Stil Aufforstung betrieben, eine internationale Company zieht das professionell durch - ausgerechnet in einer Naturschutzzone, in der die indigenen Sengwer seit Ewigkeiten leben. Gelebt haben, muss man bald sagen, denn die gute Sache konnte nicht ohne Zwangsräumungen realisiert werden. Die Geschichte ist erbärmlich. Benjaminsen, die mit Elia Kimaiyo, einem Sengwer-Aktivisten, zusammenarbeitet, hat ihre Eindrücke dokumentiert, und nun sind sie ein aufschreckendes Highlight der ersten Klima Biennale in Wien.
Ein Münchner ist mitverantwortlich
Bis zum 14. Juli geht es in der österreichischen Hauptstadt um Nachhaltigkeit in Kunst, Design und Architektur. Also um ökologisch vertretbare Lösungen wie Möbel aus Abfall, intelligente Mehrwegverpackungen oder eine Eiweißfabrik für den Hausgebrauch. Die Industriedesignerin Katharina Unger hat sich eine Mehlkäferfarm einfallen lassen, die im Äußeren wie ein Whirlpool für die Füße ausschaut und im Inneren in verschiedene Bereiche für die Larvenstadien aufgeteilt ist.

An der Bar auf dem zentralen Festivalgelände am Nordwestbahnhof wird denn auch ein Insektenprotein-Shake angeboten. Der Konsum dürfte für die meisten zur Mutprobe werden. Und neben Vegetarisch-Veganem gibt es auch Würstl aus echtem Fleisch. Gleichwohl für 12 Euro das Paar. Doch verboten wird nichts, da seien die Österreicher pragmatisch, sagt Claudius Schulze. Der in München aufgewachsene Fotokünstler ist im Duo mit der Grazer Kulturmanagerin Sithara Pathirana verantwortlich für das Programm dieser Biennale.
Mit der 100-tägigen Großveranstaltung wird allerdings nicht völliges Neuland betreten. Im staatlichen Museum für angewandte Kunst gab es von 2015 an die Vienna Biennale for Change mit immerhin vier Ausgaben. Nun sitzt das Rathaus mit mehreren städtischen Ressorts im Boot. Dazu kommen die Universität und einige andere Institutionen, denn das Festival soll mehr in die Breite wirken und nicht nur Museumsbesucher ansprechen.
Aufgehübschte Industrietristesse
"Wir legen den Fokus auf gesellschaftliche Fragen", betont Schulze, da spielt neben Öko auch ein besseres Miteinander eine Rolle. Demonstrativ ist der Asphalt vor den stillgelegten Lagerhallen der ÖBB stellenweise aufgerissen. Mit Sträuchern, Beeten und Sitzecken wird die Industrietristesse aufgehübscht. Mit den vielen Spielplätzen zieht das gerade auch junge Familien an. Der Zuspruch ist hoch, an den Wochenenden pilgern die Leute scharenweise aufs Bahnhofsareal unweit der Donau. Vielleicht auch, um zu sehen, wo man sich in den nächsten Jahren niederlassen könnte - auf dem 85 Hektar großen Gelände sollen Tausende Wohnungen entstehen. Mit viel Grün, versteht sich.
Die Besucherströme werfen freilich die Frage auf, ob sich die Katze da nicht sauber in den Schwanz beißt. Große Events sind für die Umwelt eine Katastrophe, und das Etikett "klimaneutral" kann noch nicht einmal fürs Festivalgelände gelten. Claudius Schulze versucht das gar nicht erst schön zu reden. Wie die Menschen kommen und was sie irgendwo zurücklassen, ist ihre Entscheidung. Ganz zu schweigen von den Künstlerinnen und Künstlern, die eher nicht um die Ecke wohnen. Doch um etwas zu bewegen, müsse man Plattformen schaffen, ist Schulze überzeugt, sich austauschen und anstecken lassen.

Ein Salzfass aus Salz
Das gelingt mit einigen Kunstwerken erstaunlich gut. Um Joan Jonas' Ozean auszubreiten, braucht es einfach nur ein paar Prints ihrer herrlich krakeligen Fisch-Zeichnungen. Die waren kürzlich in Portugal zu sehen und sind in einem einzigen Paket nach Wien gekommen. Komplizierter wird es mit den großen Installationen. Viele aus gefundenem Holz oder aus Pilzgeflechten, die in verblüffende ästhetische Formationen gebracht sind - und mir nichts dir nichts verrotten.
Im Belvedere und besonders im wieder eröffneten Kunsthaus Wien sind ein paar überzeugende Arbeiten zu sehen. Manchmal dezent belehrend, das ist bei diesem Thema kaum zu vermeiden. Zwischendurch aber auch mit einer gewissen Ironie. Etwa, wenn es um die Geschichte um Benvenuto Cellinis berühmtes Salzfass geht: Das rumänische Duo Anca Benera und Arnold Estefán hat die goldene Tischskulptur, die vor 20 Jahren aus dem Kunsthistorischen Museum gestohlen und im Wald vergraben wurde, aus Salz rekonstruiert. Jetzt haben die Rehlein in einem Wald in der Steiermark einen hoch artifiziellen Leckstein.
Bewusstsein schaffen
Die Sache ist natürlich komplexer und öffnet wieder neue Erzählungen. Das gehört zu den erfreulichen Seiten dieser Klima Biennale, bei der längst nicht alles Gold ist, was irgendwie gut ausschaut. Kunst gräbt sich anders ins Gedächtnis, als das ein Vortrag über die Erderwärmung tut. Wer die Aufnahmen des Iren Richard Mosse gesehen hat, wird die leuchtenden Farben des Grauens - ob sie bewaffnete Konflikte wie in Venedig oder Umweltzerstörung wie in Wien markieren - nie mehr vergessen.
Klima Biennale Wien bis 14. Juli, www.biennale.wien
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