Videobesuch: "On Survival" als digitales Erlebnis
So ein "Tischlein deck' dich" ist eine tolle Erfindung: Auf Kommando landen feinste Speisen auf den Tellern - falls es funktioniert. In der Tisch-Installation "Another Dinner Ruined" von Anastasia Sosunova hingegen wird in Pizza-Kartons der Verweis auf unsere Vergänglichkeit serviert: Das so genannte Karawai-Brot schenkt man in Osteuropa Paaren zur Hochzeit.
Doch bei der litauischen Künstlerin lauern zwischen kunstvollen Teigschnörkeln allerlei unheimliche Fabelwesen - und ein reizend aufgedonnerter Gevatter Tod. Sosunova hat auf Metallschüsseln, die im Teig verborgen sind, altmeisterliche Szenen von düsterer Finesse graviert. Manche dieser winzigen Szenen feiern zugleich, etwa mit herrlich bunten Vögeln, die Schönheit der Schöpfung.
Die abgründige Mischung aus Eat Art und Memento Mori ist Teil der sehenswerten Gruppenausstellung "On Survival", die derzeit in den Galerieräumen von Britta Rettberg auf das Ende des Lockdown wartet - aber auch im Online-Rundgang auf der Galerie-Website gut zu besichtigen ist. Eine anspruchsvolle, genreübergreifende Präsentation mit Werken von neun internationalen Künstlern, zusammengestellt von der in London lebenden Kuratorin Caterina Avataneo. Sie kombiniert lauter Kunstwerke, die sich mehr oder weniger direkt mit der Beschaffenheit des Überlebensmodus auseinandersetzen.
Große Resonanz - und doch kein Ersatz
Dafür hat die Galeristin, die ihre Galerie im Kunstareal erst 2017 eröffnete, zuletzt noch einmal verstärkt an einem umfassenden Online-Auftritt gearbeitet - und die Resonanz ihrer Kunden gibt ihr Recht. Dennoch betont sie, dass das Virtuelle kein Ersatz für den Ausstellungsbesuch im Angesicht der Originale ist. Und was nach so vielen Monaten wirklich fehle, sei die Atmosphäre auf Vernissagen, die echte Begegnung, stellt Britta Rettberg fest.
Dafür lädt "Welcome to the Party", wie der Titel einer Wand-Arbeit von Jakob Brugge lautet, schon mal im Voraus zu kommenden Events ein: Die dreifarbigen Volants wirken wie eine vage Verheißung von Feierlichkeiten, aber auch wie das traurige Relikt steif-zeremonieller Festivitäten. Das Spiel mit der Erwartung des Publikums, wird von einigen beteiligten Künstlern perfektioniert. So auch von der finnischen Bildhauerin Hanna-Maria Hammari: Ihre Bodenskulpturen ahmen Tierfallen nach, mit mehrfachen Zackenringen und martialischem Schnapp-Mechanismus, ästhetisch und brutal zugleich. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich, dass diese vermeintlichen Fallen filigrane Keramikplastiken sind, ambivalente Artefakte, deren handwerkliche Qualität beeindruckt.

Und auch die Trompe-l'Oeils der Malerin Helene Appel sind täuschend in der Fernwirkung und betörend im Detail. In der Ecke "wachsen" raumhoch zwei Baumstämme, an der Wand gegenüber schaut man in der Nahsicht in einen Klumpen "Erde", die dem Bild auch den Titel gibt. Die körnige Struktur wirkt verblüffend realistisch, weil die Künstlerin durch ein paar Löcher in der Leinwand den Blick in eine weitere Ebene ermöglicht. Zugleich treten einzelne Gesteinsbrocken schimmernd wie Edelsteine plastisch hervor.
Und über allem, den monströsen Auswüchsen wie den vielversprechenden Gewächsen, glimmt bei Alan Stefanato ein blasser Mond: Das Ölgemälde "New Moon" erinnert in seiner Verwunschenheit an Max Ernst, doch die Malweise ist eine völlig andere. Ob diese Szenerie einen menschenleeren Alptraum oder eine tröstende Vision darstellt, liegt im Auge des Betrachters. Voraussichtlich bis Ende März läuft die Schau, falls die Galerien im März wieder öffnen, bietet sich also auch noch Gelegenheit für einen echten Besuch.
Galerie Britta Rettberg (Gabelsbergerstr. 51); Online-Rundgang unter www.galerie-rettberg.com
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