Und ewig inspiriert das Weib

„Picasso. Mann Frau“ im Buchheim Museum: Die großartige Ausstellung zeigt, wie Frauen den Maler zu Großtaten anregten.
von  Christa Sigg

Nein, bei einem Genie darf man nicht kleinlich sein. Da hat selbst die Kunstlehrerin im sackartigen Kittel eine Ausnahme gemacht und ihre ansonsten stramm feministische Grundhaltung für einen ausgedehnten Moment der Euphorie vergessen. Bei den ganz Großen gelten andere Gesetze, auch in prekären Fällen, das ist immer wieder schön zu beobachten. Aber angeblich hat die minderjährige Marie-Thérèse Walter wenigstens brav den 18. Geburtstag abgewartet, um sich endlich ihrem 25 Jahre älteren Liebhaber hinzugeben. Einem Picasso könne sich eine Frau auf Dauer nicht widersetzen, sollte sie später bekennen. Und schon ist man mittendrin in diesen schillernden amourösen Abenteuern des wichtigsten Künstlers der letzten hundert Jahre – im Buchheim Museum sind nun die „Ergebnisse“ vor allem auf Papier zu verfolgen.

Unfassbar inspirieren lässt sich Picasso von seinen Gefährtinnen, ob er nun beharrlich um ihre Gunst buhlen muss oder sie ihm alsbald zu Füßen liegen. Fasziniert sind sie letztlich alle. Sogar die Selbständigste unter ihnen, die kühl-geistvolle Dora Maar, gibt auf seinen Wunsch hin das Fotografieren auf, mit dem sie so erfolgreich ist. Und muss sich ihren alles vereinnahmenden Dominator auch noch mit dessen alter Liebe Marie-Thérèse teilen. Die Damen sollten das mal untereinander ausmachen, ließ er die beiden wissen.

Dora Maar leidet, Picasso hat den Stolz der dunklen Schönheit gebrochen. Und er profitiert von ihr: Sie besorgt ihm das legendäre Atelier an der Rue des Grands-Augustins, führt ihn in die intellektuellen Pariser Kreise ein, politisiert ihn. 1937 malt er das monumentale „Guernica“, das in die Kunstgeschichte eingeht – und sie wird in zahlreichen Porträts zum Inbegriff der tränenreich-traurigen Geliebten.

In vielen der über 150 Werke sind solche Zusammenhänge erstaunlich gut nachzuvollziehen, und man spürt, wie sehr dieser charmant-unnachsichtige Egomane doch in der Lage war, sich in die Charaktere seiner Gespielinnen einzufühlen. Nur die französische Malerin Françoise Gilot lässt ihn sitzen

Von der attraktiven Fernande Olivier, die sein ärmliches frühes Künstlerdasein im Bateau Lavoir am Montmartre teilt und in der Ausstellung mit einem exquisiten kubistischen Ölgemälde (1909) aus der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen vertreten ist, bis zur aufopfernden Jacqueline Roque, die den „alten König“ – da nimmt er sich als Lustgreis selbst auf die Schippe – noch einmal zu einer sagenhaften Produktivität animiert.

Dazwischen? Zeichnet er Marie-Thérèse mit einem Riesentrumm im Gesicht (1933), das eher einem Penis als einer Nase gleicht. Frönt ein Minotaurus mit gewaltsamer Gier seiner Sexualität. Hält der reife Picasso das von den Zirkumflex-Brauen bestimmte Konterfei seiner neuesten Eroberung Françoise Gilot in schier endlosen Variationen fest und wird zum verspielten Faun (1948). Die Malerin ist übrigens die einzige, die ihn sitzen lässt und keinerlei Seelen-Havarie erleidet. Da hat ihm tatsächlich ein weibliches Ego Paroli geboten.

Wobei der Ausgangspunkt dieser Schau ein kurios androgyner ist: Im Wohnzimmer der verstorbenen Buchheim-Witwe Diethild hing Picassos Farbkreidezeichnung eines bärtigen „Rauchers“ (1964) in Matrosenhemd und – entweder deutlichen Brustrundungen oder den durchhängenden Seilen einer Reling.

Zwar scheint die männliche Version naheliegender, aber egal, so ein Doppelwesen kann man wunderbar weiterspinnen zu verschiedensten Paarkonstellationen.

Dass diese allerdings so reichhaltig und vielschichtig präsentiert werden, ist nicht nur dem Kunst-Hort des Picasso-Bewunderers Lothar-Günther Buchheim zu verdanken, sondern dem fruchtbaren Austausch mit anderen Häusern und Kollektionen. Da wären die Berliner Nationalgalerie (die aus Bernried etwa Heckels schlafenden Pechstein erhalten hat), die erwähnte Kunstsammlung in Düsseldorf, das Museum Berggruen und vor allem die Sammlung des ehemaligen Münchner Galeristen Helmut Klewan.

Die neue Offenheit, für die sich Direktor Daniel J. Schreiber seit zwei Jahren stark macht, bekommt dem Museumsdampfer am Starnberger See sichtbar gut. Sowieso hat das ganze Haus an fantasievollem Charme gewonnen. Picasso, der manische Sammler, hätte sich jedenfalls wohl gefühlt zwischen Trödel, Kunst und tollen Frauen.

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