Transformation in der Kanalisation

Nach sieben Jahren Arbeit präsentiert US-Kunst-Hohepriester Matthew Barney seinen Mega-Film „River of Fundament“ in der Oper
von  Christa Sigg

"Haben wir’s echt geschafft?“, stöhnt ein überwältigter Schwarzanzugträger seiner Begleiterin zu. Und man weiß nicht so recht, ob ihn die letzten traumschönen Bilder geplättet haben, die glasklaren Wassermassen des Redfish Lake mit laichenden Rotlachsschwärmen – besser spült das keine Urlaubswerbung ins Gemüt. Oder doch eher der über fünf Stunden dahingleitende „River of Fundament“, Matthew Barneys symphonischer Mega-Film, der parallel zu seiner Ausstellung im Haus der Kunst nun am Sonntag im Nationaltheater Europapremiere hatte.

Ein Grund, alle Reserven zu mobilisieren. Weit nach Mitternacht, gegen halb drei, endete das Superevent, zu dem sich Münchens, ach was, Deutschlands Museums-Galeristen-Sammler- und Kulturaffinen-Szene eingefunden hatte. Gleichwohl mit heftigen Abgängen nach dem zweiten von drei Teilen, in denen es in epischer Breite um Tod und Transformation geht.

Eine Geschichte über Autos, Tod und Wiedergeburt

Norman Mailers Roman „Ancient Evenings“, eine krude Geschichte von dreimaligem Tod samt Wiedergeburt eines Mannes im Alten Ägypten, eingebettet in ein Aufgebot aller nur denkbaren Sexspielarten, liegt zugrunde. Barney hat diesen Plot ins autogläubige Amerika gepackt, und Mailer selbst geht durch die Reinkarnationsmühle, heißt: Er muss durch alles, was nicht nur prüde Amerikaner eklig finden. Von sexuellen Ritualen bis zum Passieren eines Fäkalienflusses. Überhaupt ist die halbe Belegschaft ziemlich kotverschmiert, Barney selbst nimmt sich da nicht aus in seinem Outfit aus dem Cremaster-Zyklus (der härter und präziser ist). Und er hat im von Jonathan Bepler vertonten River of Return (vom Hispano-Blech-Sound bis zur zarten Harfe) ein feines Star-Aufgebot an der Seite.

Von Debbie Harry und Salman Rushdie bis zu Maggie Gyllenhaal oder Paul Giamatti darf die Equipe beim Leichenschmaus bedeutungsschwer schwafeln, dazwischen werden Autos – Seelen! – geschrottet und in irren Performances einem neuen Zustand überführt. Wenn in Detroit fünf Hochöfen glühen, um Tonnen von Eisen auszuströmen, ist das beeindruckendes Kunstspektakel (Wir können auch Vulkan). Und beklemmendes, wenn der Wiedergeburtswütige ins Gekröse einer Kuh einsteigt, Einläufe verpasst werden und der Urin aus entsprechenden Körperteilen spritzt.

Barneys Ideenfluss scheint endlos. Bilderfluten ziehen vorbei, à la longue kaum zu fassen. Doch wozu? Und wozu Mailer und die antiken Ägypter? Wenn es doch darum geht, einen absolut privaten Mythenkosmos aufzufächern. Am Ende ist man voller Schnipsel, irgendwie berauscht und doch seltsam leer.

„River of Fundament“ soll ab April mehrmals im Haus der Kunst gezeigt werden

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