Thomas Hoepker, Bilderfabrikant
Angeblich weiß heute noch jeder, der damals schon denken konnte, was er 11. September 2001 gemacht hat. Als die Zwillingstürme des World Trade Center nach dem Terroranschlag von al-Qaida in sich zusammensackten. Was Thomas Hoepker damals gemacht hat, weiß vielleicht nicht die ganze Welt. Aber sie kann es anschauen und man kann es nachlesen. Oder dazu gleich ins Münchner Amerikahaus gehen, wo dem 1936 in München geborenen deutsch-amerikanischen Fotografen derzeit eine umfassende Ausstellung unter dem Titel "My Way, USA" gewidmet ist.
Riesengroß empfängt einen im Entree des Hauses eine der umstrittensten und ziemlich bekannt gewordenen Aufnahmen jener rauchenden Schwaden, die damals von Lower Manhattan Richtung Atlantik zogen. Thomas Hoepker, der es nicht schaffte, an den Ort des Geschehens vorzudringen, blieb in Brooklyn, und fotografierte am Ufer des East River in Williamsburg eine Gruppe von fünf diskutierenden jungen Menschen. Das sah so aus, als ob sie völlig unbeteiligt ein Schwätzchen in der Nachmittagssonne hielten - und sie das Ganze nichts anginge.
In der New York Times wurde das von einer offensichtlichen Gefühllosigkeit charakterisierte Bild als schockierend bezeichnet. Allerdings meldete sich später einer der Protagonisten zu Wort und stellte klar, dass es sich mitnichten um eine ausschweifende Party gehandelt habe. Vielmehr habe man - ohne sich zu kennen - den Einsturz der Gebäude von einer Dachterrasse aus verfolgt, um dann ans Ufer zu eilen. Dort halfen sich hunderte staubbedeckter Menschen, die über die Williamsburg-Brücke von Manhattan nach Brooklyn kamen, gegenseitig in ihrem Schock.
Man sieht, dass in diesem Bild weit mehr steckt, als der Schnappschuss aufs Erste preisgibt. Entstanden ist ein surreales packendes Bild des Schreckens, das von der Katastrophe scheinbar unberührte Personen mit dem weltbewegenden Geschehen konfrontiert. Dass solche Aufnahmen freilich auch die Frage nach der Manipulation durch Fotografien aufwerfen, versteht sich von selbst. Aber das ist nicht das Ziel des Fotografen, der seit 1989 Vollmitglied und von 2003 bis 2007 Präsident der bekannten Fotoagentur Magnum war.
Ihm liegt eine humanistische Darstellungsweise am Herzen - was man auch "concerned photography" nennt. Gemeint ist, dass sich der Fotograf nicht nur um die Dokumentation eines Tatbestands bemüht, sondern auch ein Gespür für die darauf abgebildeten Personen entwickelt. Dass er sich um Mitmenschen kümmert, um Probleme auf der Welt und Leidende mit Mitgefühl abbildet.
Besonders wichtig ist diese Empathie, wenn es um die Dritte Welt geht und um unterprivilegierte Bevölkerungsschichten. Ihr Tun begreifen die Magnum-Fotografen dabei als Instrument, um sich für eine gerechtere Welt einzusetzen. Hoepkers Interesse galt nie der plakativen Zurschaustellung von Missständen, sondern der Schaffung von subtilen Bildern, die auch nachdenklich stimmen sollen. Wobei er sich allerdings nie als Künstler sah, sondern immer als "Bilderfabrikant" - wie er 1964 einmal sagte.
So ist in der Ausstellung etwa ein fotografischer Querschnitt durch Land und Zeit seiner Wahlheimat USA zu sehen, wohin Hoepker 1976 auswanderte. Gezeigt werden Situationen aus dem Alltag der Menschen auf Straßen, in Bars - aber auch in Hinterhöfen und Armutsvierteln. Von seiner Heimatstadt New York beeindrucken großformatige Farbaufnahmen aus den 1980er-Jahren. Berühmt wurde Hoepker aber auch mit Reportagen über eine Leprastation oder den unmenschlichen Drill der amerikanischen Rekrutenausbildung - oder, angenehmeres Thema, betörenden Fotografien der Boxer-Legende Muhammad Ali. Ebenfalls beeindruckend sind seine Künstlerporträts - etwa von Roy Lichtenstein auf der Couch in seinem Atelier. Koons bleibt dagegen im Hintergrund. Eyecatcher der Aufnahme sind seine Skulptur "Michael Jackson und Bubbles", das Äffchen.
Amerikahaus, Karolinenplatz 3, bis 20. Jan. Eintritt frei, Geöffnet Mo - Do 10-17 Uhr, Fr 14 - 20 Uhr, So 10 - 18 Uhr.
- Themen:
- Al-Qaida
- Michael Jackson