So ist die neue Ausstellung im NS-Dokuzentrum

NS-Dokuzentrum: Die Sonderausstellung setzt sich mit der extremen Rechten von 1945 bis zur Gegenwart auseinander.
von  Robert Braunmüller
Buttons der rechten Szene aus der Sammlung der Antifaschistischen Informations-, Doku- und Archivstelle München.
Buttons der rechten Szene aus der Sammlung der Antifaschistischen Informations-, Doku- und Archivstelle München. © Marcus Buschmüller

München - Es dauerte nur ein paar Monate. Schon im Herbst 1945 schlossen sich Ex-Nazis unter den Namen "Deutsche Konservative Partei" und "Deutsche Aufbau-Partei" zusammen. Zwei Jahre später gab es einen Bombenanschlag auf die Nürnberger Spruchkammer. Überlebende Juden fanden Hitler-Postkarten mit der Aufschrift "Wir kommen wieder" im Briefkasten. Und die Süddeutsche veröffentlichte einen antisemitischen Leserbrief, in dem es hieß, die Amerikaner würden uns Deutschen nicht verzeihen, "dass wir nicht alle vergast haben".

Die aktuelle Sonderausstellung "Nie wieder. Schon wieder. Immer noch" im NS-Dokumentationszentrum am Königsplatz beschäftigt sich bis Ende April mit dem Rechtsextremismus der Nachkriegszeit. Die sieben Jahrzehnte seit dem Ende der NS-Diktatur sind geprägt von einem steten Kommen und Gehen diverser rechtsextremer Kleingruppen und Parteien. Was sich jedoch wie ein roter Faden bis zur Gegenwart von Pegida und Teilen der AfD zieht, sind das Denken und die Rhetorik.

Holocaust-Leugnung bleibt ein Dauerthema

Der erwähnte Leserbriefschreiber vermeidet zwar das Wort Lügenpresse. Aber er ist sich sicher, dass die "Flüsterpropaganda" mehr wert sei als "100 Zeitungen". Die Kritik an der angeblich falschen Darstellung der NS-Zeit und die Leugnung des Holocaust bleibt ein Dauerthema der Rechten. Die Fremdenfeindlichkeit ist von Anfang an ein Thema: Auf einem Plakat der 1949 in München gegründeten "Deutschen Gemeinschaft" heißt es: "Deutschland den Deutschen – Geht nach Hause!".

Buttons der rechten Szene aus der Sammlung der Antifaschistischen Informations-, Doku- und Archivstelle München.
Buttons der rechten Szene aus der Sammlung der Antifaschistischen Informations-, Doku- und Archivstelle München. © Marcus Buschmüller

In den frühen 1950er Jahren versuchen Altnazis um einen ehemaligen Mitarbeiter von Joseph Goebbels, die FDP zu unterwandern. München wird ab Ende des Jahrzehnts zum Zentrum der rechten Medienlandschaft: Gerhard Frey gibt in Pasing die Deutsche National-Zeitung mit einer Auflage von rund 100.000 Exemplaren heraus. Sein Unternehmen wird bis heute von den Erben weitergeführt.

Ein paar Schritte weiter erlebt der Besucher dieser Ausstellung ein Déjà-vu bei den Jahren der ersten Großen Koalition nach 1966. Viele Konservative empfanden die Zusammenarbeit zwischen SPD und CDU/CSU als "Verrat". In dieses Vakuum stößt die als rechte Sammelbewegung gegründete NPD. Ihr gelingt der Einzug in sieben Länderparlamente, bei der Bundestagswahl bleibt sie jedoch unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Angst vor Überfremdung

Im folgenden Jahrzehnt steht der Linksextremismus im Fokus. Erst das Oktoberfestattentat von 1980 ändert diese Blickrichtung. In Franken treibt die von den bayerischen Behörden unterschätzte "Wehrsportgruppe Hoffmann" ihr Unwesen. Weil die von Helmut Kohl versprochene "geistig-moralische Wende" ausbleibt, bilden sich am rechten Rand die Republikaner und die DVU. Rechtsextreme Gruppen wie die "Bürgerinitiative Ausländerstopp" schüren die Angst vor Überfremdung. Dieses Thema hat die Rechtsextremen seither nicht mehr losgelassen.

Wilfried Nerdinger, der Gründungsdirektor des NS-Dokuzentrums, versteht die Sonderausstellung als Fortsetzung der Dauerausstellung. Das ist Vor- und Nachteil zugleich: Die Kontinuitäten im rechten Denken sind zwar offenkundig, sie befördert aber die Gleichsetzung von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, die regelmäßig zur Verschärfung des rhetorischen Klimas führt und kaum zur Versachlichung. Aktuelle Strömungen wie die Identitären bleiben eher ein Randphänomen. Das ist eine Gratwanderung, die der Katalog besser meistert als die Ausstellung selbst.

Der Übergang zwischen bürgerlicher Mitte und extremen Rechten ist fließend: Demonstration der „Alternative für Deutschland“ (AfD) gegen die Aufnahme von Geflüchteten in Passau (2015).
Der Übergang zwischen bürgerlicher Mitte und extremen Rechten ist fließend: Demonstration der „Alternative für Deutschland“ (AfD) gegen die Aufnahme von Geflüchteten in Passau (2015). © Robert Andreasch

Erarbeitet wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Demokratie der Landeshauptstadt und dem antifaschistischen Archiv a.i.d.a in München und Bayern. Das führt zu einer gewissen Papierlastigkeit. Dass die rechte Publizistik heute in erster Linie das Internet nutzt, wird zwar nicht verschwiegen, kommt aber nicht deutlich genug zur Sprache.

Ein Kaleidoskop, das sich immer wieder verändert

Die Gegenwart wird auf etlichen Stelen zu Themen wie Sozialdarwinismus, Antidemokratisches Denken, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit dargestellt – wie ein Kaleidoskop, das sich immer wieder verändert, dessen Muster aber gleich bleiben, wie Nerdinger beim Rundgang erläuterte.

Die Ausstellung nennt hier Ross und Reiter: Auf einem Foto ist zu sehen, wie sich der rechtsextreme Islamkritiker Michael Stürzenberger sein Exemplar von "Deutschland schafft sich ab" vom bürgerlich akzeptierten Thilo Sarrazin signieren lässt. Die Stategien von ganz rechts sind heute bis weit in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig. Das macht "Nie wieder. Schon wieder. Immer noch" bestürzend deutlich.


Bis 2. April, NS-Dokuzentrum, Brienner Straße 34, Dienstag bis Sonntag, jeweils 10 bis 19 Uhr, Katalog, hg. von W. Nerdinger, 280 S., 28 Euro.

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