Sehnsucht Japan: Einmal im Jahr das Kreuz mit Füßen treten
Der sitzende Daibutsu, der Große Buddha von Kamakura ist eine der berühmtesten Buddha-Figuren Japans - und mit über 13 Metern Höhe ein prächtig-exotisches Bildmotiv.
Der aus Dresden stammende Maler Wilhelm "William" Heine (1827-1885) rückte ihn aus einer leichten Untersicht ins Bild, um den Eindruck der Größe zu verstärken.
Studio-Schau im Museum Fünf Kontinente
Zu sehen ist seine Ansicht jetzt in der Studio-Schau "Sehnsucht Japan. Reiseerinnerungen des Malers Wilhelm Heine", die das Museum Fünf Kontinente zum 160. Jahrestag der deutsch-japanischen Beziehungen präsentiert.
Im Zentrum stehen 28 Grisaille-Gemälde, die bis 1875 für den Folio-Band "Japan. Beiträge zur Kenntnis des Landes und seiner Bewohner" entstanden.
Zwei Ostasien-Expeditionen inspirierten den Maler
Heine hatte an zwei Ostasien-Expeditionen teilgenommen. Der Lebensweg des Malers, Diplomaten und "Demokraten 1. Klasse" ist mindestens so spannend wie sein Werk:
Er studierte bei Gottfried Semper Architektur, wurde von Richard Wagner gefördert, absolvierte in Paris eine Ausbildung zum Bühnenbildner und floh nach der Teilnahme an der Märzrevolution 1849 nach Amerika.
1854 begleitete er die Perry-Expedition, Teil der amerikanischen Kanonenbootpolitik, mit der man das während der Edo-Zeit (1603-1853) abgeschottete Japan zwingen wollte, Häfen für die Versorgung von Schiffen zu öffnen.
Heine fertigte Bildeindrücke der Mission an
Heine war mit der Aufgabe betraut, Bildeindrücke dieser halb diplomatischen, halb militärischen Mission mitzubringen.
Als er nach seiner Rückkehr erfuhr, dass auch Preußen eine Gesandtschaft zum Ausbau der Handelsbeziehungen plante, bewarb er sich für die Eulenburg-Expedition - und kehrte 1860 noch einmal ins Reich der aufgehenden Sonne zurück.
Tokyo, das rund 50 Kilometer entfernte Kamakura - viel weiter kam Heine als Ausländer noch nicht im Land herum.
Heines Tochter heiratete einen Münchner Kunstverleger
Seine Skizzen und die Fotografien seiner Expeditions-Kollegen sind Grundlage für die 50 Darstellungen des Folianten, doch ohne weitere japanische Vorlagen hätte die Mehrzahl der Abbildungen nicht entstehen können.
Weil Heines Tochter den Münchner Kunstverleger Edgar Hanfstaengl heiratete, sind die noch erhaltenen 41 Bilder heute im Besitz des Museums Fünf Kontinente.
Gekonnt, aber konventionell
Wilhelm Heines Malerei ist gekonnt, aber konventionell. Einflüsse der japanischen Kunst, wie sie fast zeitgleich in der durch die Öffnung des Landes erst möglichen Welle des Japonismus etwa von van Gogh aufgenommen wurde, sucht man vergebens.
Künstlerisch geben die Bilder nicht viel her; vielleicht spart die Präsentation darum die kunsthistorische Bewertung aus.
Genre-Szenen beleben die Bilder
Über das Japan von damals erzählen sie dennoch, auch wenn es keine authentischen Bilddokumente sind. Heine zeigt Städteansichten und Sehenswürdigkeiten stets belebt von Genre-Szenen. Historische Ereignisse wie die "Vertreibung der Portugiesen" und die Machtkämpfe der Shogune erzählt er bildlich nach. Ein interessantes Sujet ist "Das Treten den Kreuzes":
Das Christentum war in der Edo-Zeit verboten; die Japaner verpflichtet, das Kreuz einmal im Jahr symbolisch mit Füßen zu treten.
Auch grausame Szenen hielt er fest
Wilhelm Heine beschränkt sich nicht auf idyllische Impressionen - aus dem Teegarten oder vom Puppenfest -, sondern hielt auch grausame Szenen fest: Beim Betrachten der "Gerichtsbarkeit"-Darstellung hält sich die Japan-Sehnsucht in Grenzen.
Sie zeigt verschiedene Folter- und Hinrichtungsmethoden, darunter den Seppuku-Selbstmord unter Aufsicht und das besonders brutale Knien auf Klingen, während die Schenkel mit Steinen beschwert werden.
Das Kreuzigen wiederum hatten die Japaner von den Europäern gelernt. Kein Wunder, dass der Mann am Kreuz bei Heine eher an die Altdeutschen Meister erinnert.
Bis 9. Januar 2022, Museum Fünf Kontinente, Di - So 9.30 bis 17.30 Uhr
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