Schöne Bilder, harter Stoff
In diesen Sex-&-Crime-Stories liegt Jahrtausende alter Zündstoff: Weil Sara ihrem Mann Abraham kein Kind gebären konnte, führte sie ihm die junge Hagar zu. Das Ergebnis der „Beiwohnung“: Ismael. Als Sara, übrigens zugleich Halbschwester Abrahams, dann als alte Frau überraschend doch noch ein Kind – Isaak – bekam, zwang sie Abraham, Hagar und Ismael in die Wüste zu schicken. Laut Bibel wurden die beiden durch einen Engel vor dem Tod gerettet, der Koran schreibt die Legende ein bisschen anders. Der Prophet Ismael gilt als Stammvater der Araber, Isaak und sein Sohn Jakob als Erzväter der Israeliten.
Für Schulkinder mit Religionsunterricht und bibelfeste Erwachsene sind das alles alte Bekannte, doch die meisten haben die Zusammenhänge nicht mehr „auf dem Schirm“. Eine an faszinierenden Bildern reiche und inhaltlich gut aufbereitete Ausstellung in der Alten Pinakothek konzentriert sich nun auf die Darstellungen alttestamentarischer Geschichten, lüsterne Greise und eifersüchtige Ehefrauen, Bruderzwist, Rachlust, Rivalenmord und über allem ein grausam strafender Gott – aber immer auch unerschrockene, tugendhafte Held-/innen: Ob Albrecht Altdorfers „Susanna im Bade“, Hans Burgkmairs „Esther“, Lucas Cranachs „Zug der Israeliten durchs Rote Meer“, Bernhard Strigels „Rückkehr des David mit dem Haupt des Goliath“, Rembrandts „Isaaks-Opfer“ oder eben Claude Lorrains „Hagar in der Wüste“ – die Gestalten des Alten Testaments sind in der Kunst beliebte Sujets. Nicht zuletzt, da sie als Präfiguration der christlichen Heilsgeschichte im Neuen Testament interpretiert werden. Demnach steht der drohende Opfertod Isaaks durch seinen Vater typologisch für den Tod Jesus Christus und die Wiederauferstehung, Esther deutet auf Maria hin, der Zug durchs Rote Meer nimmt sinnbildlich die Taufe vorweg.
In der Schau werden rund 37 Gemälde aus Spätmittelalter, Renaissance und Barock gezeigt, darunter einige sehenswerte Leihgaben aus den Zweigstellen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Anlass ist der 21. Kongress der „International Organization for the Study of the Old Testament“, der hier im August stattfindet. Darum lockt zugleich die Bayerische Staatsbibliothek mit einer Präsentation kostbarer Schriften „vom babylonischen Talmud bis zu Lassos Bußpsalmen“ in ihre Schatzkammer. Eine rare Chance, die zum Teil prachtvoll illuminierten Handschriften und Drucke im Original zu bestaunen, etwa die jüngst entdeckten Homilien des Origenes zu den Psalmen aus dem 12. Jahrhundert, den Goldenen Psalter (um 1200) aus Oxford, die im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in Bayern entstandene Passah-Haggada und die Regensburger Furtmeyr-Bibel (um 1470).
In der Alten Pinakothek unbedingt eine besondere Betrachtung wert sind Hans Baldung Griens formidable „Sintflut“ von 1516 aus Bamberg sowie die wunderbare Ottobeurener Marientafel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Alte Pinakothek, bis 20. Oktober, Di-So 10-18, Di bis 20 Uhr; Stabi bis 30. Aug., Mo-Fr 10-19 Uhr