Schnorrer, Schweinehunde und ein Erlöser
Er liebte dieses ganz besondere Moosröschenrosa, nicht zu rot, und allzu viel Blau durfte auch nicht beigemischt sein. Dazu ein warmes Farngrün, das mit dem Sofa im Flur der Stabi ganz gut getroffen ist. Immer nur vom Feinsten, lautete die Devise. Kein Wunder also, dass Richard Wagner dauernd in Geldnot war und neben der Justiz auch die Gläubiger an seinen Fersen hatte. Da kam München wie gerufen. Oder besser: das Salär, das ihm Ludwig II. in Aussicht stellte.
Der junge König hatte eben erst den Thron bestiegen, die Zuwendungen an den Komponisten gehörten quasi zu den ersten Amtshandlungen, und damit wurde eine wenngleich kurze, aber doch intensive Ära eingeleitet. Nur anderthalb Jahren blieb Wagner im Dunstkreis des „wundervollen Jünglings“ und „Erlösers“, wie er den musikbegeisterten Wittelsbacher im Tagebuch rühmte – vom Mai 1864 bis zum 10. Dezember 1865. Die intime „Schatzkammer“ der Bayerischen Staatsbibliothek reicht also aus, um die wichtigsten Dokumente dieser Zeit zu präsentieren. Aber München wurde in den wenigen Monaten zur Wagner-Stadt.
Und noch ein Pech kam der neuen Heimat zugute: Wagner hatte neben den bislang nicht aufgeführten „Ring“-Teilen „Rheingold“ und „Walküre“ auch den vermaledeiten „Tristan“ im Reisegepäck. Die Wiener mussten nach 77 enervierenden Proben kapitulieren, „unaufführbar“ ließen die Verantwortlichen verlauten. Doch unter Ludwig kann Wagner frei schalten und walten. Aus Berlin holt er mit dem Dirigenten Hans von Bülow eine Koryphäe, die für das Neue brennt – und ganz nebenbei als „Vorspieler des Königs“ die richtigen Töne anschlägt. Also werbewirksam Wagner ins Monarchenohr befördert.
Die „Tristan“-Truppe ist schnell oben auf, selbst ein Skandal kann dem Großprojekt nichts anhaben: Bülow braucht unbedingt mehr Platz fürs Orchester, lässt im Graben kurzerhand die Sitze für Kritiker und Ehrengäste kassieren mit der netten Bemerkung: „Was kümmert’s mich, ob 30 weitere Schweinehunde hier unten sind.“ Auf den Vorfall wird sogar ein Lied gedichtet, das jetzt in einer Vitrine zu bewundern ist.
Aber es kommt es bald zum nächsten Drama. Für den Tristan hat er den Superstar Ludwig Schnorr von Carolsfeldt engagiert, besser geht’s nicht. Der akzeptiert als Isolde allerdings nur Gattin Malwina. Die wird rechtzeitig zur Premiere heiser, ein Desaster, die Gästeliste ist so lang wie hochkarätig – doch Ludwig hält die schützende Hand über das Vorhaben, und die Uraufführung am 10. Juni 1865 im Hof- und Nationaltheater wird zum absoluten Triumph.
All das kann man nachvollziehen anhand von originalen Briefen, Bühnenbild- und Kostümentwürfen, Fotografien und Partituren, die zum Teil erhellende Anmerkungen enthalten wie etwa Wagners Regieanweisungen beim „Holländer“. Selbst der „Tristan“ des Gottfried von Straßburg liegt als illuminierte Prachthandschrift (Cgm 51) in einer Vitrine (das eigentliche Highlight). Doch auch diese Wagner-Schau endet mit Zerwürfnissen. Der Komponist wird zu teuer, mischt sich dazu in die Politik ein – und schnappt sich Cosima, die Frau seines Wunderdirigenten Hans von Bülow.
Bayerische Staatsbibliothek, 1. Stock, Ludwigstraße 16, bis 28. Mai, Mo, Mi, Fr 10 bis 17, Di, Do bis 20 Uhr, Eintritt frei