Schmetterlingsleicht dem Pathos getrotzt
Hans Haacke hätte vielleicht noch einmal etwas Ähnliches wie „Der Bevölkerung“ hingeschrieben. Seit 2000 ziert sein Schriftzug den Berliner Reichstag. Die Mittelhalle des Münchner Hauses der Kunst widmet man jetzt „Der Öffentlichkeit – von den Freunden Haus der Kunst“. In den nächsten fünf Jahren wird es hier – bei freiem Eintritt – eine Reihe von Auftragsarbeiten des Freundeskreises geben.
Noch sperriger als dieser demonstrative Dativ klingt nur der Titel der Auftakt-Installation von Haegue Yang: „Epische Streuung beherbergen – über nichtkathartisches Volumen von Zerstreuung“. Man ahnt es nicht sofort: es geht um Identität, Migration und Postkolonialismus. Die Künstlerin Yang, 1971 in Seoul geboren, lebt seit 1994 in Deutschland und bezieht sich damit auf Marguerite Duras, George Orwell und den koreanischen Essayisten Suh Kyongsik.
Haegue Yang reagiert auf das dröhnende Pathos der einstigen NS-Ehrenhalle mit schwebender Leichtigkeit. Zwischen den monumentalen Pfeilern lässt sie ein asymmetrisches Gespinst aus verschiedenfarbigen Jalousien wachsen, das beim Eintreten fast blendet und auf der Rückseite milde schimmert. Sehr sinnfällig: Eine Jalousie markiert im Allgemeinen die Grenze des Privaten. Hier ist sie durchlässig. Doch „streitlustig“, wie die Installation vom Haus der Kunst tituliert wird, wirkt Yangs Installation eigentlich gar nicht. Im Gegenteil: sie stört nicht. Das ist sogar das Konzept der Künstlerin, die möchte, dass der Vorbeischreitende sich nicht zur Auseinandersetzung verpflichtet fühlt.
Auf der Documenta 13 war Yangs Jalousien-Installation im ehemaligen Kasseler Bahnhof eines der Highlights. Doch da gab es zwei wesentliche Unterschiede: Die Inszenierung dort war anders als die Münchner in Bewegung, die Lamellen sirrten in einer rätselhaften Choreografie hoch und runter. Außerdem konnte man mit der düstren Atmosphäre des Bahnhofs arbeiten; man musste sie, anders als die symbolisch kontaminierte Nazi-Architektur, nicht konterkarieren. In der Mittelhalle des Hauses der Kunst kann hingegen nur bestehen, wer dem blutroten Marmor kraftvoll etwas entgegensetzt; aufbauen auf der „Aura“ kann man keinesfalls. Haegue Yangs filigrane Großskulptur wirkt darin zu zart, wie ein Schmetterling – dessen Flügelschlag allerdings kein Beben auslöst.
Haus der Kunst, bis 22. 9.2013, Eintritt frei, Begleitprogramm unter www.hausderkunst.de